Das Bienenmaedchen
war gerade aus dem Meer gewatet und stand jetzt keuchend wie ein freundliches Walross neben ihnen.
»Tennis. Deine Schwester und Beatrice hier. Das müssen wir unbedingt machen. Ich schick dir eine Nachricht.« Rafe zitterte vor Kälte und Aufregung, aber seine Augen waren voller Licht und Fröhlichkeit. Und dennoch lag da auch eine Verletzlichkeit in seinem Blick – sie hatte es gesehen. Es war etwas an der Art, wie er lächelte. Sie wollte ihm sagen, dass es okay war – dass alles gut war. Denn sie konnte sehen, dass nicht immer alles für ihn in Ordnung gewesen war.
Als sie am nächsten Morgen in der Diele ihre Reitstiefel anzog – sie hatte mit dem alten Harry vereinbart, am diesem Tag auf Cloud zu reiten –, glitt ein Umschlag durch den Briefschlitz. Sie stieß Jinx beiseite, nahm den Umschlag von der Matte, las ihren Namen und riss die Haustür auf – gerade rechtzeitig, um noch einen Blick auf Rafes Rücken zu erhaschen. Er trug Shorts und ein altes Hemd, und über die Schulter hatte er sich ein Handtuch geworfen.
»Rafe!«, rief sie.
Er wandte sich um, und ein Lächeln flog über sein sensibles Gesicht, als er sie sah. Er sah auf ihre Stiefel und Reithosen.
»Du gehst reiten?«, fragte er überflüssigerweise und beugte sich vor, um Jinx über das raue Fell zu streichen. Als sie nickte, sagte er: »Lass es mich wissen, wenn du Zeit hast, Tennis zu spielen.«
»Warte einen Augenblick«, sagte sie und riss den Briefumschlag auf. »Morgen Nachmittag? Ähm …« Sie versuchte, so lässig zu klingen wie Angie. »Ja. Danke, da kann ich.«
»Wir treffen uns da oben«, sagte er und schaute auf seine Uhr, auf der sich die Sonnenstrahlen spiegelten. »Muss mich beeilen. Wir haben ein altes Paddelboot gekauft.« Seine Augen leuchteten fröhlich. »Sturton wird mich wahrscheinlich skalpieren, wenn ich nicht hingehe und ihm helfe, es zu tragen.« Er zog die Gartenpforte hinter sich zu, und sie hörte sein Pfeifen, als er die Straße hinunterging.
Beatrice stand auf der Schwelle, lauschte dem Pfeifen und dem Wehklagen der Möwen und spürte die Sonne auf ihrem Gesicht. Sie schien von einem coelinblauen Himmel. Die Luft war warm und dick wie Honig. Die Zeit verlangsamte sich. Was auch immer geschieht, sagte sie zu sich selbst, ich muss diesen Moment für alle Zeit in Erinnerung behalten. Sie würde ihn in ihrem Gedächtnis feststecken wie einen ihrer aufgespießten Schmetterlinge. So konnte sie ihn immer dann hervorholen und betrachten, wenn sie sich daran erinnern musste, was reines Glück war.
Als sie eine halbe Stunde später den Klippenpfad hochging, drehte sie sich um und schaute hinunter auf den Strand. Zwei jungenhafte Gestalten bemühten sich, in der Brandung ein unhandliches Paddelboot in Bewegung zu setzen. Lachend beobachtete sie, wie einer von ihnen im Boot zu sitzen kam und der andere hineinkletterte, woraufhin das Boot auf der Breitseite von einer Welle erfasst und zum Kentern gebracht wurde. Es gab eine große Hektik, um die Paddel zu retten, bevor sie es noch einmal versuchten. Dann waren sie auf See und jagten durch die Wellen auf ruhigeres Gewässer zu. Beatrice wandte sich um und quälte sich weiter den Pfad hinauf. Lerchengesang verkündete ihren Aufstieg.
Harry hatte Cloud gesattelt und ihn für sie bereit gemacht. Sie dankte dem Pferdeknecht, lehnte aber sein Angebot ab, sie zu begleiten. »Ich hab ich keine Probleme mehr mit ihm. Er kennt mich inzwischen.«
Harry grunzte, und Beatrice wusste, dass er sie nicht wegreiten lassen würde, wenn er nicht sicher wäre. Als sie aufgesessen war, verkürzte Harry die Steigbügel für sie und bemerkte: »Nehmen Sie ihn nicht zu hart ran in dieser Hitze, das mag er nicht.«
»Natürlich nicht, Harry. Keine Sorge.«
Er trat zurück, und sie brach im Schritt auf – hinaus aus dem Hof vor den Ställen und den Weg hinunter. Sie wandte sich zu den Wiesen auf der Kuppe der Klippe. Cloud, dessen Flanken bald vor Schweiß dampften, sträubte sich anfangs dagegen, in Trab zu fallen, doch sie trieb ihn dazu an. Ohne den Schutz der Bäume brannte die Nachmittagssonne unbarmherzig nieder. Sie würde nicht lange unterwegs sein. Sie ritt die Klippen entlang, wo es über dem Meer eine ganz leichte Brise gab.
Die Welt vibrierte unter einem lang gezogenen Donnergrollen. Das Pony zögerte, und seine Ohren legten sich nach hinten. Beatrice blickte zum Himmel, flüsterte beruhigende Worte und stellte überrascht fest, dass der Horizont vor ihr hinter einem
Weitere Kostenlose Bücher