Das Bienenmaedchen
Cousinen als Spielkameraden für Hetty. Als Beatrice die Aufforderung erhielt, zu ihnen zu kommen, eilte sie sogleich nach Carlyon Manor. Alle – außer Peter – begrüßten sie stürmisch, aber sie spürte sofort, dass sich etwas verändert hatte. Angelina war rasch erwachsen geworden. Es war, als sei die schreckliche Zeit spurlos an ihr vorübergegangen und sie hätte Beatrice hinter sich gelassen. Angie war größer geworden und hatte nun eine unmoderne füllige Figur. Ihr früherer verträumter Gesichtsausdruck hatte sich zu einem wissenden und leicht amüsierten Blick gewandelt. Irgendetwas war mit ihr in Schottland geschehen.
Als sie allein in Angelinas Zimmer waren, fand Beatrice es rasch heraus.
»Schau mal«, sagte Angie und zeigte Beatrice eine Postkarte. Es war ein Foto von einem jungen Mann in der Festkleidung eines Highlanders. »Die Hamiltons hatten ihren Neffen Bertie zu Besuch. Es war sehr aufregend«, flüsterte sie und umklammerte Beatrice’ Arm. »Er ist mir einfach nicht von der Seite gewichen. Egal, wo ich hingegangen bin, er ist mir gefolgt. Alle haben ihre Bemerkungen darüber gemacht, und keiner konnte glauben, dass ich noch nie ausgegangen war. Und Mummy hat mir erlaubt, zum Dinner aufzubleiben, und Tante Alice hat einem Dienstmädchen gesagt, sie solle mir die Haare machen. Und vorgestern Abend hat mich Bertie gebeten, mit ihm nach dem Dinner im Park spazieren zu gehen, und ich habe ihm erlaubt, mich zu küssen. Ich wollte wissen, wie das ist, weißt du.«
»Und wie war es?«, fragte Beatrice, erschrocken und fasziniert zugleich.
»Oh, sobald wir geklärt hatten, wohin sich unsere Nasen bewegen sollten, ging es sehr gut. Schau, halt still, und ich zeige es dir … Nein, die Augen machst du am besten zu.« Sie zog Beatrice in ihre Arme und drückte ihren Mund langsam und vorsichtig auf den ihrer Freundin.
Beatrice versteifte sich zuerst und riss dann überrascht die Augen auf. Irgendwo in ihrem Hals spürte sie ein aufregend warmes Gefühl, das sich in ihren Brüsten ausbreitete und dann nach unten durch ihren ganzen Körper. Sie nahm die Schwere von Angelinas Armen wahr – auch ihren vertrauten Duft und die goldenen Härchen auf ihren Armen. Sie nahm den Kopf zurück und schob Angie von sich fort.
Angelina stand lachend vor ihr. »Du sollst mich zurückküssen, Dummerchen!«, sagte sie. »Wir müssen das üben. Es ist wichtig, wenn wir bei den Männern irgendwas erreichen wollen. Komm schon, schau mich nicht so an.«
»Wie denn?«
»Wie Granny Trevellian, wenn über S. E. X. gesprochen wird. Du hast ganz viele Falten um den Mund, wie eine Trockenpflaume.«
»Es ist … sehr merkwürdig, das ist alles. Hat ihn das nicht … also … ermutigt?«
»Nur ein bisschen. Ich würde ihn nicht heiraten wollen oder so. Er ist schrecklich ernst, weißt du. Er schaut mich an wie ein trauriger Hund, und ich könnte es nicht ertragen, dass er mir mein ganzes Leben lang überallhin folgt. Glücklicherweise kam meine Mutter nach draußen, um mich zu suchen, und so war ich in Sicherheit. Wir hatten eine solch herrliche Zeit dort! So viele Dinner und Jagdgesellschaften. Und Ed hat Raufußhühner geschossen, Peter aber nicht.«
Beatrice sah ein, dass Angelina sie nicht danach fragen würde, was sie gemacht hatte. Es war wohl besser, wenn sie es von sich aus erzählte. »Ich hab auch jemanden kennengelernt. Er heißt Rafe.«
Angelinas durchsichtige Augen wurden groß. »Oh Bea, du meine Güte, dein Brief. Es klang alles zu furchtbar, um es auszusprechen. Ist das der Junge? Natürlich nicht der, der gestorben ist, sondern der andere? Jeder hat gesagt, du wärest so tapfer gewesen. Mummy hat alles von Deirdre Garnetts Mutter erfahren.«
Beatrice, die immer noch versuchte, den schrecklichen Tag aus ihrer Erinnerung zu löschen, setzte sich auf das Bett und sagte bedrückt: »Ich war überhaupt nicht tapfer. Wenn der alte Harry nicht da gewesen wäre, ich hätte nicht gewusst, was ich tun sollte.«
»Immerhin hast du dabei geholfen, jemanden zu retten, das ist das Wunderbare! Und ich nehme an, dass er dir jetzt für immer und ewig dankbar ist. Wie ist er denn überhaupt so? Sieht er gut aus?«
»Oh Angie, ist das alles, worüber du nachdenkst?«, entgegnete Beatrice mit einem Stöhnen. »Ja, ich glaube, er sieht gut aus. Er ist sehr nett, und man kann sich gut mit ihm unterhalten.«
»Wir müssen ihn alle kennenlernen«, sagte Angie. »Und zwar hier, das ist abgemacht. Du musst ihn nach Carlyon
Weitere Kostenlose Bücher