Das Bienenmaedchen
sagte Angie glücklich.
Beatrice öffnete die Schachtel und nahm ihr kostbares Kleid heraus.
Nur einen Augenblick später stand sie vor dem Spiegel und betrachtete sich neugierig.
»Oh!«, entfuhr es Angie. Sie starrte die Freundin an. »Ich glaube, ich fang gleich an zu weinen!«
Es war das erste Mal, dass sich Beatrice in voller Größe in dem Kleid sah. Sie konnte nicht fassen, dass die Fremde – eine ziemlich schöne Fremde –, die sie aus dem Spiegel anschaute, sie selbst war. Das Blau und das Silber des Kleides betonten ihre glänzenden dunklen Locken und ihr herzförmiges elfenbeinfarbenes Gesicht mit den strahlenden kastanienbraunen Augen. Sie trug die Kette ihrer Mutter mit dem Saphiranhänger und legte nun die dazu passenden Ohrklipse an. Sie zwickten furchtbar, aber diesen Schmerz musste sie ertragen. Sie schlüpfte in die silbernen Sandalen, die ihre Mutter in Truro gekauft hatte.
»Du bist nicht mehr die kleine braune Bea-Biene«, flüsterte Angie.
Aus dem Gesicht, das über Beatrice’ Schulter hinweg in den Spiegel schaute, sprach weniger Bewunderung als vielmehr Neid. Doch als sich Beatrice betroffen umwandte und Angie anschaute, war dieser Ausdruck schon wieder verschwunden. Sie sah so fröhlich aus wie vorher.
»Gehen wir?« Angie reichte Beatrice ein Paar Handschuhe. Dann schritten sie gemeinsam die Treppe hinunter.
Im Flur wimmelte es bereits von Männern in Abendanzügen und Frauen in eleganten Kleidern. Sie entledigten sich ihrer Mäntel, Hüte und Pelzstolen, nahmen Gläser vom Tablett des jungen Burschen und bewunderten den prächtigen, mit Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum. Dann begaben sie sich in den Salon, wo sie von Mr und Mrs Wincanton begrüßt wurden.
Als die Mädchen die Stufen hinunterkamen, wurden sie von einem Meer aus bewundernden Gesichtern empfangen. Die Leute schauten nicht nur auf Angie, sondern auf sie beide: blond und brünett, hell und dunkel – ein gegensätzliches Paar, aber jedes Mädchen für sich entzückend.
In diesem Moment öffnete Bless die Eingangstür. Davor stand Rafe.
Er verharrte auf der Schwelle, schaute von Beatrice zu Angie und wieder zu Beatrice. Sie lächelte ihn scheu an, doch dann drängte Angie sich vor und begrüßte ihn.
»Oh, Rafe, du kommst genau richtig!«, sagte sie und nahm ihm den Mantel ab. »Sehen wir nicht sehr erwachsen aus?«
»Ihr seht … beide … sehr gut aus«, stammelte er und wurde rot. Seine Augen sagten »atemberaubend«, und Angie lachte – ihr goldenes ansteckendes Kichern.
»Vielen Dank! Du aber auch, nicht wahr, Bea?«
Auch Rafe sah erwachsen aus, groß gewachsen und im schicken Gesellschaftsanzug. Sein blondes Haar schimmerte im Licht der Kerzen. Als sie sich ein Glas Champagner nahmen, konnte Beatrice ihre Augen nicht von ihm lassen.
»Sei willkommen, Ashton!«, rief Ed, kam herüber und schüttelte Rafe die Hand. Dann wandte er sich an Angie und Beatrice. »Hört mal, ihr Mädchen seht einfach …« Er sprach nicht weiter.
»Ja, stimmt!«, sagte Rafe, der die Wirkung des Champagners zu spüren begann.
»Sollen wir euch zu Mummy und Daddy bringen?«, fragte Angie. Sie sah Rafe an, der ihr sofort seinen Arm anbot.
Beatrice schob ihre Enttäuschung beiseite und nahm Eds Arm.
»Meine Schätzchen!«, rief Oenone, als sie in den Salon kamen. »So reizend! Und ihr Jungs, ihr seht so gut aus! Wo ist eigentlich Peter? Ist er schon unten?« Niemand wusste es.
»Wer sind diese hinreißenden jungen Dinger?«, fragte Michael Wincanton. »Ich erinnere mich nicht, sie eingeladen zu haben.«
Angie kreischte entzückt auf. »Oh, Daddy, sei nicht albern«, sagte sie, beugte sich vor und gab ihm einen Kuss.
Über die Schulter seiner Tochter musterte Mr Wincanton Beatrice mit unverhohlenem Wohlgefallen. Er streckte den Arm aus, gab seinem Sohn einen Klaps auf die Schulter und schüttelte dann Rafe die Hand.
Sie gingen an Angies Eltern vorbei weiter in den Raum hinein und mischten sich unter die anderen jüngeren Gäste. Es waren jene Jugendlichen, mit denen Ed und Angie und später auch Beatrice Tennis gespielt und gemeinsamen Tanzunterricht genommen hatten, bei deren Geburtstagspartys sie Preise gewonnen hatten und die jetzt, zumindest viele von ihnen, zum ersten Mal bei einem Fest von Erwachsenen eingeladen waren. Sie waren ungeschickt, pickelig und schlaksig, die meisten scheu und befangen. Die Mädchen stand sicherheitshalber in kleinen, kichernden Gruppen zusammen und spähten nach den Jungen hinüber, die
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