Das Biest aus den Alpen
oder lieber darauf verzichten solle.
Nachdem sich ihre Augen an die
Dunkelheit gewöhnt hatten, stellten die Freunde fest, dass der Nachthimmel gar
nicht wirklich schwarz, sondern eher tiefblau war. Eine Sternschnuppe glitt
über den samtigen Horizont.
Jetzt habe ich einen Wunsch
frei, dachte Gaby und küsste Tim sanft auf die Wange. Keiner der Freunde bemerkte,
dass Tim dabei leicht errötete. »Also, ich finde es hier romantisch«, flüsterte
sie ihrem Freund ins Ohr.
»Wusstet ihr, dass viele der 88
international anerkannten Sternbilder einen Bezug zur griechischen und
römischen Mythologie haben? Man hat den Himmel dabei so aufgeteilt, dass jeder
Stern zu einem Sternbild gehört«, spulte Karl sein Wissen ab. »Der
Sternenhimmel verändert im Laufe des Jahres sein Aussehen. Zu bestimmten
Jahreszeiten sind manche Sternbilder gut zu erkennen, andere wiederum nicht. Bei
uns sind das ganze Jahr über Großer Bär, Kleiner Bär — zu dem gehört der
Polarstern — Kepheus, Kassiopeia, Giraffe und Drache zu sehen.«
»Drache?«
»Ja, lateinisch auch Draco. Mit
einem Fernglas oder Teleskop würden wir das Sternbild besonders gut sehen, da
es sich über einen großen Teil des Himmels schlängelt.«
Klößchen war nachdenklich
geworden: »Was meint ihr, warum ist der Tatzelwurm nicht so bekannt wie andere
Fabelwesen? Zum Beispiel wie das Einhorn.«
»Die meisten Fabeltiere sind
eindrucksvolle Gestalten mit Flügeln oder Hörnern. Das ist beim Tatzelwurm
nicht der Fall. Er ist recht plump gebaut und von unscheinbarer Farbe. Zudem
soll er unangenehm riechen und ziemlich gefährlich sein. Das ist einfach zu
wenig fabelhaft«, vermutete Karl.
»Was frisst eigentlich so ein
Tatzelwurm?«, wollte Klößchen wissen und biss in einen Schokoladenkeks.
»Bestimmt keine Fahrräder«,
knurrte Tim leise.
Alle lachten.
»Wenn man davon ausgeht, dass
Schlangen — und mit ihnen soll der Tatzelwurm ja verwandt sein — lebende Beute
bevorzugen, würde ich sagen: Würmer, Weichtiere, Spinnen und Insekten. Und wenn
ihnen dazu auch noch Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere und die
Eier oder Larven der verschiedensten Tierarten vors Maul kommen, sagt ein
Tatzelwurm sicherlich nicht Nein.«
»Besonders wählerisch scheint
der mir mit seinem Speiseplan ja nicht zu sein. Und wie sieht es mit...«,
Klößchen musste schlucken, »... mit Kindern aus?«
»Wenn man bedenkt, dass manche
Schlangenarten sogar Beutetiere verschlingen, die schwerer als sie selbst sind,
könnte ich mir schon vorstellen, dass...« Karl schwieg vielsagend. Er wollte
seinen Freund ein wenig auf den Arm nehmen. Mit Erfolg. Klößchen blieb der
Bissen im Halse stecken.
Er musste husten. Während Karl
ihm hilfsbereit auf den Rücken klopfte, sagte er: »Die vollständige Verdauung
eines sehr großen Beutetieres kann lange dauern. Je nach Temperatur Tage oder
sogar einige Wochen.«
»Wer mich auffrisst, spuckt
mich spätestens am anderen Morgen wieder aus — unverdaut«, behauptete Klößchen.
»Oder stirbt — sofort!« Er schlug sich klatschend auf die Arme. Ihn piesackte
schon seit geraumer Zeit eine Stechmücke.
»Und warum klapperst du so mit
den Zähnen?«, wollte Tim wissen.
»Mir ist kalt«, antwortete
Klößchen knapp. »Ich habe mir unseren Urlaub ein bisschen anders vorgestellt.
Jedenfalls mit mehr Sonnenschein. Stattdessen fängt es schon wieder zu nieseln
an. Ich leg mich schlafen.«
Bevor auch die anderen in ihre
Schlafsäcke schlüpften, sagte Tim: »Wir sollten morgen versuchen, den Fremden,
der Fritzis Eltern bedroht hat, ausfindig zu machen. Schließlich haben wir es
ihr versprochen. Wie wir es anpacken, weiß ich jetzt noch nicht. Schlafen wir
erst mal drüber!«
Sie schlüpften in ihre
Schlafsäcke. Klößchen und Karl gingen in eine Kabine des Zeltes. Gaby und Tim
in die andere.
Gaby drehte sich auf die Seite
und war augenblicklich eingeschlummert. Tim aber lag noch wach. Er zerbrach
sich den Kopf wegen der rätselhaften Vorgänge: Wer war der geheimnisvolle
Fremde, der Fritzis Eltern bedrohte? Woher kamen die Spuren in der Kirche? Und
was hatte Professor Corvinus’ Grabungsaktion im Fundament der Burg zu bedeuten?
Irgendwann verkündeten
regelmäßige Atemzüge, dass auch Tim eingeschlafen war.
Mitten in der Nacht erwachte
Tim. Er war schweiß gebadet
und sein Herz klopfte wild. Erst musste er sich besinnen, wo er war. Er hatte
geträumt, dass sich Gaby in einem unterirdischen Labyrinth verlaufen hatte und
in
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