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Das Biest aus den Alpen

Das Biest aus den Alpen

Titel: Das Biest aus den Alpen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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und
zog an seiner Zigarre. Eine mächtige Wolke blauen Rauches ausatmend, ließ er
seinen Blick in weite Fernen schweifen.
    »Als ich mich mit den Glasmalereien
beschäftigte, fiel mir eine lateinische Handschrift aus den Jahren 1748 in die
Hände. Darin schildert ein Pater das Leben der Karmeliten und das Leid, welches
der Österreichische Erbfolgekrieg brachte.«
    »Hm... der Krieg um die
Nachfolge des Kaisers brachte wirklich viel Kummer für das bayrische Inntal.
Besonders für Oberaudorf sowie den dort ansässigen Mönchsorden.«
    »Der Text ist im Grunde recht
langweilig. Nur eine Stelle fesselte meine Aufmerksamkeit: Der Verfasser
erzählt von dem Vikar Johannes Spagl. In der Übersetzung lautet die Stelle
ungefähr so: ›Noch heute reden die Oberaudorfer von einem verborgenen Schatz.
Bis jetzt hat man vergeblich danach geforscht. Man weiß nur, dass Vikar Spagl
ihn in seinen letzten Lebenstagen irgendwo in einem Geheimgang versteckt haben
soll. Wenn Neugierige danach fragten, gab er die stets gleichlautende Antwort:
Johannes wird es euch und euren Nachfahren verraten.‹«
    »Vikar Spagl ist mir natürlich
bekannt«, unterbrach der Kurator die Erzählung. »Er hat eine umfangreiche
Sammlung von Kuriositäten zusammengetragen. Man kann sie in unserem Museum
bewundern. Und was, meinen Sie, ist es, was Johannes Spagl uns und unseren
Nachfahren verraten will?«
    Professor Corvinus blieb dem
Kurator vorerst eine Antwort schuldig. »Was wissen Sie noch über Spagl?«,
erkundigte er sich stattdessen.
    »Der Überlieferung nach ließ er
einen tiefen Brunnenschacht mauern. Es ist nicht bekannt, wo sich dieser genau
befand. Weiterhin weiß man, dass er einem — für diese Zeit wohl eher unüblichen
— Hobby nachging.«
    »So? Und das wäre?«
    »Er interessierte sich für
Reptilien aller Art — und ich rede hier keinesfalls nur von Ringelnatter und
Kreuzotter. Sie müssen sich nur mal unsere Ausstellung ansehen...«
    Professor Corvinus nickte. Das
Horrorkabinett des Vikars hatte er bereits gesehen. »Von einem Brunnen erzählt
der Verfasser der alten Schrift nichts. Er berichtet nur, dass der Vikar
mehrere Glasfenster für die Kirche gestiftet habe. Viele mögen diesen Bericht
gelesen haben, ohne ihm großen Wert beizumessen. Für mich bedeutet er den
Ausgangspunkt meiner Forschung. Das ist der eigentliche Grund meines Kommens.
Ich glaube, dass die Geschichte des Schatzes auf einer Tatsache beruht.«
Professor Corvinus schaute den Kurator an. »Ich studierte also die Fenster
eingehend.«
    Wildgruber kramte in seiner
Schreibtischschublade. Er zog eine Lupe daraus hervor und schaute sich die
Fotos genauer an. Deutlich erkannte er drei Propheten. Arnos, ein alter
grauhaariger, bärtiger Mann, war mit einer grünen Tunika bekleidet. Von seiner
rechten Schulter fiel locker zum Bauch hin ein roter Umhang. Der Prophet Hosea
war im Seitenprofil zu sehen. Er war mit einer roten Tunika und einem grünen
Übermantel bekleidet. Er trug einen langen braunen Bart, lange Haare und eine
rote Kopfbedeckung. Der Dritte hatte dem Betrachter den Rücken zugewandt. Er
war mit einer grünen Tunika bedeckt. Von seiner linken Schulter fiel ein roter
Umhang herab. Sein Blick ging nach rechts, sodass er im Profil zu sehen war. Er
hatte dunkelgraue Haare und einen Bart. Die Gewänder der drei Propheten waren
allesamt mit schwarzen Bordüren eingefasst.
    Corvinus sprach weiter: »Dass
Johannes der Täufer hier abgebildet ist, muss einen Grund haben. Die anderen
beiden Propheten haben etwa im 8. Jahrhundert vor Christus gelebt. Von ihnen
kann man im ersten Buch der Bibel, im Alten Testament, lesen. Johannes lebte
über 700 Jahre später. Von ihm wird im Neuen Testament erzählt. Warum also
sollte er mit den beiden anderen zusammen dargestellt werden? Ich bin mir sicher,
dass das kein Zufall ist.«
    Der Professor seufzte.
»Vergebens habe ich nach Hinweisen gesucht«, fuhr er fort. »Schließlich
vermutete ich überall Geheimzeichen, die sich beim näheren Hinsehen jedoch als
Täuschung entpuppten. Ich habe jeden Millimeter untersucht, ohne etwas zu
entdecken. Jeden Strich notierte ich mir, um vielleicht in der Zusammensetzung
einen Text zu erhalten. Bald hatte ich jede Menge Aufzeichnungen. Eine Vielzahl
von Kombinationsmöglichkeiten waren mir in den Sinn gekommen, aber etwas Greifbares
hatte ich nicht in der Hand.«
    »Und wie ging es weiter?« Der
Kurator war sichtlich gebannt von Corvinus’ Geschichte.
    »Irgendwann verlor ich die
Lust.

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