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Das Biest aus den Alpen

Das Biest aus den Alpen

Titel: Das Biest aus den Alpen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Corvinus anvertraut hatte, zu entschlüsseln. Die halbe Nacht hatte er
sich in seinem Arbeitszimmer um die Ohren geschlagen. Vergeblich. Selbst mit
dem Gesetz von der Häufigkeit der Buchstaben hatte er versucht, die
Verschlüsselung zu lösen. In der deutschen Sprache wiederholt sich das E von
allen Buchstaben am häufigsten. In der lateinischen Sprache ist es dagegen das
A. Aber trotz aller Mühe blieb der Text unlesbar.
    Nachdenklich fuhr Wildgruber
sich durch das Haar und stützte dann das Kinn in die Hand. Nach einigem Grübeln
beschloss er, den aufgeweckten Jungen, den er tags zuvor im Museum
kennengelernt hatte, um Hilfe zu bitten. Er erschien ihm pfiffig genug, ihm beim
Knacken des Rätsels behilflich zu sein.
    Während Wildgruber im
Telefonbuch nach der Nummer der Pension suchte, wurde vor einem Zelt oben auf
dem Berg heftig diskutiert...
     
    »Kann mir bitte mal einer
verraten, was das heute Nacht war?«, bibberte Klößchen. Er zitterte vor Kälte —
und ein bisschen auch vor Angst.
    »Wir hätten das Ding einfangen
oder wenigstens mit dem Handy fotografieren sollen«, meinte Tim.

    Darauf kannte Klößchen nur eine
Antwort: »Lieber ein paar Minuten feige als ein Leben lang tot.« Sollte doch
ein anderer den Tatzelwurm fangen!
    »Mir wird jetzt noch ganz
anders, wenn ich an diese furchtbaren Augen denke.« Gaby zitterte auch.
    Ihr steckte noch immer das
blanke Entsetzen in den Knochen. Da half es auch nichts, dass Tim sie im Arm
hielt und tröstete.
    »Geht es um die Orientierung in
der Dunkelheit, sind uns viele Tiere weit überlegen. Es gibt Arten, die haben
sich perfekt an das lichtarme Leben angepasst.« Karl versuchte zu beruhigen.
»Obwohl die Lichtintensität in einer bewölkten Nacht wie der letzten rund 100
Millionen Mal schwächer als das Tageslicht ist, behalten nachtaktive Tiere den
Überblick.«
    »Und das ist ein Grund, uns so
böse anzuglotzen?«, fragte Klößchen.
    »Um jeden Lichtschimmer nutzen
zu können, haben viele nachtaktive Tiere sehr große Augen mit riesigen
Pupillen. Im Auge befindet sich eine spiegelähnliche Schicht, das Tapetum.
Dieser Spiegel wirft das eingefallene Licht zurück und bewirkt eine doppelt
helle Bildwahrnehmung auf den Sehzellen.«
    Gaby hatte das Gefühl, als
würde sie das unheimliche Wesen noch immer anstarren. »Die Augen... sie
schienen förmlich zu glühen.«
    »Das kam daher, dass Tim die
Kreatur mit seiner Taschenlampe angestrahlt hat. Das Licht der Lampe wird von
der reflektierenden Schicht im Auge zurückgeworfen. Die Farbe des Tapetums —
und damit die Farbe der leuchtenden Augen — ist übrigens je nach Tierart
unterschiedlich.«
    »Also die waren eindeutig rot!«
    »Und sie waren riesig. Sogar
Oskar hat den Schwanz eingekniffen.«
    »Ich weiß nicht. Möglicherweise
haben wir uns das auch nur eingebildet«, meinte Karl.
    »Wie? Eingebildet? Ich weiß
doch, was ich gesehen habe.«
    »Na ja, vielleicht haben wir
uns da auch nur gegenseitig verrückt gemacht. Immerhin haben wir in den letzten
Tagen genug Gruselmärchen gehört.« Er überlegte kurz, dann sagte er: »Wenn der
Mond bei klarer Nacht nahe am Horizont so riesengroß erscheint, ist das
eigentlich auch ein neurologisches Phänomen. Betrachtet man ihn stattdessen
kopfüber durch die Beine, sieht alles wieder ganz normal aus.«
    »Du meinst also, wenn ich
zwischen meinen Schienbeinen hindurchgeschielt hätte, hätte ich da bloß einen
Kammmolch im Gras sitzen sehen?« Tim tippte sich an die Stirn.
    In diesem Moment unterbrach das
Klingeln von Karls Handy die Diskussion um die nächtlichen Ereignisse.
    Nur wenige Handgriffe, dann
hatte Karl sein Mobiltelefon gefunden. Seine Freunde spitzten die Ohren. Doch
mehr als ein knappes »Hm... ja, ich verstehe...« ließ sich nicht vernehmen.
    Nachdem Karl das Gespräch
beendet hatte, rückte er umgehend mit den Neuigkeiten raus: »Das war die
Pension. Ich soll heute Nachmittag Herrn Wildgruber im Museum treffen. Es geht
um die Entschlüsselung eines geheimen Textes.«
    Karl, für den Kreuzworträtsel
und Wortspiele wie Scrabble eine leichte Übung waren, freute sich über die
kleine Abwechslung. Wenn einer es schaffte, einen Kassiber zu knacken, dann war
es Karl. Das wussten auch Tim, Klößchen und Gaby.
    Karls Vater war Professor für
theoretische Physik an der Universität. Wahrscheinlich hatte Karl das
computergleiche Gedächtnis von ihm geerbt. Schon oft hatten Vater und Sohn aus
Spaß die unterschiedlichsten Geheimschriften ausprobiert.

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