Das Biest in ihm (German Edition)
Bruder wälzte sich auf den Rücken. Mit blutunterlaufenen Augen starrte er sie an. Der Geruch nach billigem Whiskey war widerlich. „Nina, Süße. Keine Ahnung, was du meinst.“
Vincent zog ihn hoch und bugsierte ihn in die Küche. „Was soll das, Simon. Du hast uns erschreckt.“
„Nein.“ Tränen rannen über sein Gesicht und Speichel aus seinem Mund. Nina hatte ihn noch nie in diesem Zustand gesehen. „Ich erschrecke nicht. Ich bin nur Simon, Sohn eines Kinderfressers.“
Vincent stieß ihn in die Seite. „Du bist sternhagelvoll. Erzähl keinen Mist.“
Die Kaffeetasse vom Mittag zerschlug auf dem Boden. Simon hatte sie vom Tisch g e fegt. „Du warst dabei!“
Vincent schüttelte langsam den Kopf. Simon sagte die Wahrheit. Für eine Lüge würde er sich nicht b e trinken.
„Vincent?“
Simon antwortete . „Sie jagen den Grauen. Heute Nacht. Da, wo du ihm begegnet bist.“ Er fuchtelte hilflos in der Luft herum, legte den Kopf auf den Tisch und weinte he m mungslos.
Die verzweifelten Tieraugen gehörten ihrem Vater. Sie hatte n ihm immer gehört. W a rum hatte sie ihn in dieser Nacht nicht erkannt? Wie konnte sie ihren Vater nicht erke n nen?
„Sie dürfen ihn nicht töten.“
Simon schrie auf. „Er reißt Kinder! Ich sollte dir nichts sagen. Du solltest dich nicht aufregen.“
Vincent legte ihm die Hand auf die Schulter, Simon wischte sie weg. Er stand auf, schwankte zur Tür.
„Wo willst du hin?“
„Sie aufhalten.“
Seine Knie knickten ein. Vincent fing ihn auf, legte ihn aufs Sofa. Simon schloss die Augen, schlief sofort ein. Vatermord. Der Gedanke ging ihr nicht aus dem Hirn. Sie musste handeln. Nur wie? Eingreifen. Sie zurückholen, sich zwischen sie und das alte Biest werfen. Eine Lösung. Einen Plan. „Fahr mich dorthin.“
„Er ist gefährlich.“
„Das bist du auch.“
„Aber ich falle keine Kinder an.“
„Du weißt nicht, ob er es war. “
Es hätte jedes andere Biest sein können. Genug Fremde waren da. Vincent schüttete den Kopf.
„Was du vorhast, ist Wahnsinn.“
„Ich kann nicht zulassen, dass seine eigenen Söhne ihn abschlachten.“ Ihr Magen zog sich zusammen. Es stach, schmerzte. Sie konnte kaum atmen.
„Heinrich wird dabei sein. Deine Brüder, Vladimir. Sie werden Biester sein, Nina. Du bist nur ein Mensch.“ Er ging auf und ab, raufte sich die Haare. „Was ist, wenn sie dich nicht erke n nen? Wenn sie dich statt seiner jagen?“
„Das werden sie nicht.“
Seine Hand knallte auf den Tisch. Die braunen Augen blitzten vor Zorn. „Wenn er dich jagt? Was dann? Du riskierst dein Leben für ein altes Monster.“
Konnte er nicht stehen bleiben? Was schrie er sie an? Sie streckte sich am Tresen, es wurde nicht besser. Wie ein Stein lag der Schmerz in ihr.
„Was hast du? Du wirst blass.“
„Ich will nicht, dass sie zu Vatermördern werden.“
„Er ist nicht mehr dein Vater!“
Der Mann mit dem blonden dichten Haar war ihr Vater gewesen. Hatte ihr Pflaster aufs Knie geklebt, Scherzlieder vorgesungen, die er nur für sie gedichtet hatte . Hatte sich in Krämpfen auf dem Wohnzi m merteppich gewunden. Hatte seine Frau um Beistand angefleht. Sie hatte nur dagestanden und geschrien.
„Nina, du darfst das nicht tun.“
Ihr Vater hatte sich erbrochen vor Qual. Viermal waren seine Menschen a ugen erschi e nen, bevor er sich dem Tier ergeben musste. Es schmerzte. Ihr Magen, ihr Herz. Alles.
Vincent hatte es bemerkt. Flankte über den Küchentisch, als ihre Beine einknickten. Kurz vorm Aufschlag fing er sie auf. Sie wollte reden, ihm alles erklären. Es kam kein Wort raus. Nur Geräusche. Schluchzen. Etwas zerriss in ihr. Sie schrie vor Schmerz. W a rum kam kein Ton aus ihr? Sie schrie. Sie wusste es. Keine Luft. Kein Ton. Nur ein lau t loser Schrei. Vincent sah sie erschrocken an, sprach mit ihr. Sie hörte ihn nicht. Er schü t telte sie. Es half nicht. Die Welt drehte sich, wurde dunkel.
Wasser rauschte. Es war zu dunkel zum Sehen. Nur hören ging. Wasser über ihre A r me, über ihr Gesicht, auf ihre Brust.
„Nina!“ Seine Stimme von weit her. Sein Gesicht, das sich über sie beugte. Sie lag am Boden, in seinem Arm. Seine Hand lag auf ihrem Herz. „Ganz ruhig, Nina. Ich bin da.“
So viel Angst in seinen Augen. Sie hatte auch Angst gehabt. Damals, als ihr Vater gefl o hen war. Vincent half ihr hoch. Als sie ihr Shirt auszog, schüttelte er den Kopf. Bis er die Narbe sah.
„Er hat mich festhalten wollen.“
„Dein Vater?“
„Er
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