Das Biest in ihm (German Edition)
ihn aus den Augen zu lassen, ging Heinrich zu seiner Maschine. Er hatte sie unter Sträuchern verborgen. Ebe n so wie sich selbst. Mit Schwung schlug er die Regenplane nach hinten, die seinen stu m men Begleiter vor neugierigen Blicken verborgen hatte . Auf deutschen Straßen gab es zu viel Polizei. Was sie wohl g e sagt hätten, wäre er mit einer Leiche im Sozius durch die Gegend gefahren?
„Euer Werk?“
„Meins.“ Er reckte das Kinn. „Ein Willkommensgeschenk an dich.“
Das hatte er sich gedacht. „Netter Kehlschnitt. Das Messer da oder du selbst?“
Seine Lippe zuckte. „Ich selbst.“
„Als Biest?“
„Ja.“
Stolz darauf, versagt zu haben. Wie konnte er es wagen? „Hast du bei mir nichts g e lernt?“
„Doch.“ Dalibor wischte den Rotz vom Gesicht. „Schmerzen, Hohn und Angst. Aber keine Achtung vor mir selbst.“
Heinrich musste lachen. „Niemand achtet ein Monster. Man fürchtet es und hasst es. Ist man stark genug, tötet man es.“ Die Metzeleien seiner Kindheit b e reiteten ihm heute noch Albträume. Das ganze Dorf hatte sich gegen ihn und seine Familie gewandt. Übe r lebt hatte n nur sein Vater und er.
„Niemand ist stark genug, ein Biest zu töten.“ Dalibor fletschte die Zähne. Seine Hä n de verkrümmten sich bereits zu Klauen. Der Kerl lebte im Wahn.
„Schon mal mit Handfeuerwaffen gespielt? Die erlegen dich ebenso effizient wie einen Bär, einen Wolf oder einen räudigen Köter.“
„Du willst uns schwach“, knurrte Dalibor. „Stellst die Menschen über uns.“
„Sie rotten uns aus, wenn wir ihnen die Gelegenheit geben.“ War der Kerl zu schwac h sinnig, um das zu begreifen? Wie irre schüttelte er den struppigen Schädel. „Zwingst du die Transformation nicht zurück, breche ich dir das Genick.“
Das raue Lachen stammte von einem Tier. Gut. Er hatte die Wahl gehabt. Heinrich sprang ihn an, riss ihn von den Beinen, und erst als sein Gesicht nach hinten zeigte, ve r stummte das irre Lachen.
„Ich will Entschädigung für meinen stinkenden Wagen.“ Mit den Händen vor der Brust gekreuzt, forderte Paul Revanche. „Eine Woche bekomme ich de i nen Flitzer und du den Skoda.“
„Vergiss es.“ Vincent hatte schon die Auslegware ersetzt.
„Du bist es mir schuldig. Drei Tage.“
„Zwei.“
„Abgemacht.“ Seine Augen strahlten. „Schlüsseltausch.“
„Liegt unterm Spiegel. Nimm ihn dir.“ Zwei Tage mit dem Skoda. Das würde er ve r kraften. Aber keinen Tag länger. „Willst du vor Knut angeben?“
Pauls Zwinkern gab ihm recht. Verständlich.
Das Telefon schrillte und Vincent zog den Kopf ein. Sein Schädel brummte entset z lich. Das mit dem Wein war keine gute Idee gewesen.
„Ein gewisser Marcel ist für dich am Telefon.“
Paul hielt ihm mit hochgezog e nen Brauen und vorgeschobener Unterlippe den Hörer hin. Vincent riss die U m hüllung der zweiten Aspirin auf. Als sie zischend ins Wasser eintauchte und sprudelnd zu Boden sank , atmete er auf. Sein ganzer Körper war ein ei n ziger Muske l kater.
„Weißt du, wann du dir das letzte Mal so etwas gönnen musstest?“ Paul zeigte auf das Glas in Vincents Hand. „Vor drei Jahren, nachdem du die ganze Nacht ve r sucht hast, wieder ein Mensch zu werden.“
„Kann schon sein, her mit dem Hörer.“ Vincent streckte die Hand danach aus , aber Paul zog ihn wieder ein Stück weg.
„Was ist gestern geschehen?“
„Nichts.“
Vincent, lüg mich nicht an!“
„Ich war wieder mal Joggen.“
„Du bist in deinem ganzen Leben noch nicht Joggen gewesen.“
Die Penetranz ging Vincent auf den Geist. Jeder Muskel schmerzte und keinesfalls konnte er Paul sagen, warum. Oder doch? „Ich hätte mich fast vor den Augen sämtlicher Berliner Touristen in ein Biest verwandelt und nur, weil eine bildhübsche Ro t haarige auf meinen Schoß geklettert ist und mir das Soft-Petting meines Lebens bereitet hat, konnte ich es zurückzwi n gen.“
„Ha, ha.“ Schon hatte Vincent den Hörer in der Hand. Paul legte kurz sein Kinn auf Vincents Schulter. „Wie hast du geschlafen, mein Hübscher?“
Vincent hielt die Hörmuschel zu. „Fantastisch. Darf ich jetzt endlich tel e fonieren?“
„Schöne Träume gehabt?“
„Ja. Kann ich endlich?“
Das kleine verträumte Lächeln, das um Pauls Mund huschte, wurde erst ei n gefangen, als sich Paul auf die Unterlippe biss. „Erzählst du mir später davon?“
Vincent gab die Sprechmuschel frei. „Einen Moment bitte.“ Am anderen Ende lachte es.
„Was
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