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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Sie zuckte die Achseln und zog die Mundwinkel zu
einem kläglichen Lächeln hoch. »Es ist nur, wissen Sie, eine
schlechte Zeit im Monat für mich.«
»Hm-hmm«, sagte Rhoda. Sie schien nicht überzeugt zu
sein. »Dann kommen Sie mit uns runter in die Kantine. Wir
ertränken unseren Kummer in Thunfischsalat und Erdbeermilchshakes.«
»Gute Idee«, sagte Curt. »Auf meine Rechnung.«
»Oh, Big Spender«, sagte Rhoda und verdrehte die Augen.
Diesmal war Rosies Lächeln ein wenig aufrichtiger, aber
sie schüttelte den Kopf. »Ich passe. Ich möchte einen langen
Spaziergang machen und mir den Wind ins Gesicht wehen
lassen. Damit der Staub rausgeweht wird.«
»Wenn Sie nichts essen, werden Sie uns wahrscheinlich
gegen drei einfach umkippen«, sagte Rhoda.
»Ich esse einen Salat. Versprochen.« Rosie lief bereits zu
dem quietschenden alten Fahrstuhl. »Wenn ich mehr esse,
würde ich wahrscheinlich ein halbes Dutzend gute Takes ruinieren, weil ich rülpsen muß.«
»Heute käme es darauf auch nicht mehr an«, sagte Rhoda.
»Viertel nach zwölf, okay?«
»Auf jeden Fall«, sagte sie, doch während der Fahrstuhl
die vier Stockwerke zur Halle hinunterfuhr, ging ihr immer
wieder Rhodas letzte Bemerkung durch den Kopf: Heute
käme es darauf auch nicht mehr an. Und wenn sie heute nachmittag nicht besser war? Wenn sie von Take dreiundsiebzig
zu Take achtzig und zu Take hundertwerweißwieviel
kamen? Wenn Mr. Lefferts nun morgen bei ihrem Treffen
beschloß, ihr statt einem Vertrag die Kündigung zu geben?
Was dann?
Sie verspürte einen plötzlichen Haß auf Norman in sich
hochsteigen, das erstemal, daß sie ihn sich bewußt eingestand. Er traf sie zwischen den Augen wie ein stumpfer,
schwerer Gegenstand
- ein Türstopper vielleicht, oder das
stumpfe Ende einer alten, rostigen Axt. Auch wenn Norman
Mr. Slowik nicht umgebracht hatte, auch wenn sich Norman
noch zu Hause in seiner anderen Zeitzone befand, er folgte
ihr immer noch, so wie Peterson der armen, verängstigten
Alma St. George folgte. Er folgte ihr in ihrem Kopf.
Der Fahrstuhl kam zum Stillstand, die Tür ging auf. Rosie
betrat die Halle, und der Mann, der vor der Wegweisertafel
des Gebäudes stand, drehte sich mit verzagtem und zugleich
hoffnungsvollem Gesic htsausdruck zu ihr um. Es war ein
Ausdruck, mit dem er jünger denn je aussah … fast wie ein
Teenager.
»Hi, Rosie«, sagte Bill.
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    Sie verspürte den plötzlichen und erstaunlich ausgeprägten
Wunsch, einfach wegzulaufen, bevor er sah, wie er sie aus
der Fassung gebracht hatte, aber dann sah er ihr in die
Augen, und Weglaufen kam nicht mehr in Frage. Sie hatte
den faszinierenden grünen Unterton in seinen Augen vergessen, wie Sonnenstrahlen in seichtem Wasser. Statt zur Eingangstür zu fliehen, ging sie langsam auf ihn zu und fühlte
sich ängstlich und glücklich zugleich. Am deutlichsten aber
verspürte sie ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung.
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht in meine Nähe
kommen.« Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme hören.
Er griff nach ihrer Hand. Sie dachte, daß sie sie ihm nicht
geben sollte, aber sie konnte nicht verhindern, daß er sie
nahm… auch nicht, daß ihre gefangene Hand sich in seinem
Griff drehte, damit sie seine langen Finger umfassen konnte.
»Ich weiß«, sagte er nur, »aber das kann ich nicht, Rosie.«
Das machte ihr angst, und sie ließ seine Hand los. Sie studierte unsicher sein Gesicht. So etwas war ihr noch nie passiert, niemals, und sie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren
oder sich verhalten sollte.
Er breitete die Arme aus, was möglicherweise nur eine
Geste war, die seine Hilflosigkeit unterstreichen und betonen
sollte, aber mehr brauchte ihr übermüdetes, hoffnungsvolles
Herz nicht; es fegte das unentschlossene Zaudern aus ihrem
Gehirn fort und übernahm das Kommando. Rosie trat wie
eine Schlafwandlerin in seine ausgebreitete Arme, und als er
die Arme um ihren Oberkörper legte, drückte sie das Gesicht
an seine Schulter und machte die Augen zu. Als seine Hände
über ihr Haar strichen, das sie heute morgen nicht geflochten
hatte, sondern offen auf die Schultern fallen ließ, hatte sie ein
seltsames und wunderbares Gefühl: Es war, als wäre sie
gerade aufgewacht. Als hätte sie tatsächlich geschlafen, nicht
nur eben, als sie sich von ihm umarmen ließ, nicht nur seit
heute morgen, als der Wecker sie aus dem Traum vom
Motorradfahren gerissen hatte, sondern seit vielen Jahren,
wie Schneewittchen, nachdem sie den Apfel gegessen

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