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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schmierigen kleinen
Tunte gefischt werden. Er würde dafür sorgen, daß sie sie nie
wieder verlor oder wegwarf. Er würde sie an e inem sicheren Ort
verstecken.
Und wenn er nur Dunkelheit nach der … der Einführung dieses
letzten Geschenks sehen konnte … nun, vielleicht war das ein
Segen. Nachdem seine Gedanken wieder zu der BankCard
zurückgekehrt waren, kreisten sie unablässig darum, wie fast
immer neuerdings, ob er schlief oder wach war. Es war, als
wäre dieses Stück Plastik zu einem unheimlichen grünen Fluß
geworden (dem Merchant’s statt dem Mississippi), und der Strom
seiner Gedanken war ein Nebenfluß, der sich in ihn ergoß. Alle
Gedanken flössen neuerdings bergab und verloren am Ende
ihre Identität, wenn sie sich mit dem grünen Strom seiner
Besessenheit vereinten. Die gewaltige, unbeantwortete Frage
stieg wieder an die Oberfläche: Wie hatte sie es wagen können?
Wie hatte sie es nur jemals wagen können, die Karte zu nehmen?
Daß sie fortgegangen war, ihn verlassen hatte, das hätte er noch
verstehen können, auch wenn er es nicht billigen konnte, und
auch wenn er wußte, sie mußte dafür sterben, daß sie ihn so sehr
zum Narren gehalten, daß sie ihren Verrat so gründlich in ihrem
stinkenden Frauenherz verborgen hatte. Aber daß sie es gewagt
hatte, seine BankCard zu stehlen, etwas zu nehmen, das ihm gehörte, wie der Junge, der die Bohnenranke hinaufgeklettert war
und dem schlafenden Riesen sein goldenes Huhn
gestohlen hatte …
Ohne zu merken, was er tat, steckte sich Norman den Zeigefinger der linken Hand in den Mund und biß zu. Er hatte
Schmerzen - sogar große Schmerzen -, aber diesmal spürte er sie
nicht; so sehr war er in Gedanken versunken. An den
Zeigefingern beider Hände hatte er dicke Schwielen, weil es eine
alte Angewohnheit von ihm war, unter großer Belastung
hineinzubeißen, die bis in seine Kindheit zurückreichte. Zuerst
hielt die Hornhaut, aber als er länger über die BankCard
nachdachte, deren grüne Farbe in seinen Gedanken immer
dunkler wurde, bis sie den fast schwarzen Farbton einer Fichte in
der Dämmerung angenommen hatte (eine vollkommen andere
Farbe als das Limonengrün der Cord), biß er sie durch, und
Blut floß ihm über Hand und Lippen. Ergrub die Zähne
in seinen Finger, genoß die Schmerzen, zermalmte das Fleisch,
schmeckte das Blut, so salzig und dickflüssig, wie Klopfers Blut, als
er ihm die Sehne durchgebissen hatte, die unten an seinem
»Mommy? Warum macht der Mann das mit seiner Hand?«
»Sei still und komm.«
Das brachte ihn wieder zu sich. Er sah benommen über seine
Schulter, wie ein Mann, der gerade aus einem kurzen, aber tiefen
Nickerchen erwacht ist, und sah eine junge Frau mit einem kleinen
Jungen, etwa drei Jahre alt, die sich von ihm entfernten - sie zerrte
das Kind so schnell mit, daß sie fast rannte, und als die Frau ihrerseits zurück sah, stellte Normanfest, daß sie entsetzt war.
Was genau hatte er getan ?
Er betrachtete seinen Finger und sah die tiefen, blutenden Halbmonde auf beiden Seiten. Eines Tages würde er sich das verdammte
Ding einfach abbeißen, abbeißen und verschlucken. Es wäre nicht
das erstemal, daß er etwas abgebissen hätte. Oder geschluckt.
Aber dies war keine gute Straße. Er nahm ein Taschentuch aus
der Hosentasche und wickelte es um seinen blutenden Finger.
Dann hob er den Kopf und sah sich um. Er stellte überrascht fest,
daß es bereits langsam dunkel wurde; in manchen Häusern brannte
schon Licht. Wie weit war er gegangen? Wo befand er sich genau?
Er las mit zusammengekniffenen Augen das Straßenschild an
der nächsten Kreuzung und entzifferte die Worte Dearborn Avenue. Rechts von ihm lag ein kleiner Tante-Emma-Laden mit einem
Schild, auf dem stand: OFENFRISCHE BRÖTCHEN. Normans
Magen knurrte. Er merkte, daß er zum erstenmal richtig Hunger
hatte, seit er aus dem Bus von Continental Express ausgestiegen
war und in der Cafeteria des Busbahnhofs kalte Frühstücksflocken
gegessen hatte, weil sie das auch gegessen hätte.
Plötzlich wollte er ein paar Brötchen, nichts anderes auf der Welt
als Brötchen … aber nicht nur Brötchen. Er wollte ofenfrische
Brötchen, wie sie seine Mutter gebacken hatte. Sie war eine fette
Schlampe gewesen, die nie aufhören konnte zu keifen, aber kochen
konnte sie echt gut. Ohne Zweifel. Und sie selbst war ihre beste
Kundin gewesen.
Aber sie sollten besser wirklich frisch sein, dachte Norman,
als er die Stufen hinaufging. Im Inneren konnte er

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