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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Wenn du versuchst, mir etwas zu vergelten, werde ich
dein Äußeres rundum erneuern.«
    Sie schrie, ein Geräusch, das ohne Umweg über die Ohren direkt
in seinen Kopf zu dringen schien, und er spürte, wie sie sich mit
ausgestreckten Händen auf ihn stürzte. Er holte tief Luft und blies
den Zigarettenrauch auseinander. Die Frau verschwand. Norman
spürte, daß sie fort war. Danach herrschte eine Zeitlang nur Dunkelheit, in deren Mitte er friedlich schwebte, außer Reichweite der
Ängste und Begierden, die ihn quälten, wenn er wach war.
    Am Freitag morgen wachte er um zehn nach zehn auf, wandte
den Blick vom Wecker ab zur Decke des Hotelzimmers und rechnete
halb damit, Phantomgestalten durch verfallende Schwaden von
Zigarettenrauch gleiten zu sehen. Selbstverständlich waren keine
Gestalten da, weder Phantome noch andere. Und auch kein Rauch,
was das anging - nur das anhaltende Aroma von Fall Matts, in hoc
signo vinces. Da war nur Detective Normern Daniels, der in
einem verschwitzten Bett lag, das nach Tabak und Fusel roch. Er
hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er den vergangenen
Abend damit verbracht, die Spitze eines frisch geputzten Lederschuhs zu lutschen, und seine linke Hand tat teuflisch weh. Er öffnete sie und sah eine glänzende Blase mitten auf der Handfläche. Er
betrachtete sie lange Zeit, während auf dem scheißeverkrusteten
Sims vor seinem Fenster Tauben flatterten und gurrten. Schließlichfiel ihm wieder ein, daß er sich die Brandblase selbst mit einer
Zigarette zugefügt hatte, und er nickte. Er hatte es getan, weil er
Rose nicht sehen konnte, so sehr er es auch versuchte … und dann
hatte er, gleichsam als Entschädigung dafür, die ganze Nacht irre
Träume von ihr gehabt.
    Er legte zwei Finger rechts und links neben die Blase und
drückte allmählich immer fester zu, bis sie platzte. Er wischte sich
die Hand am Bettlaken ab und genoß den stechenden Schmerz. Er
lag rund eine Minute nur da und betrachtete seine Hand - beobachtete sie gleichsam, wie sie vor sich hin pochte. Dann griff er
unters Bett und zog seine Reisetasche hervor. In ihr lag unten eine
kleine Blechdose mit ungefähr einem Dutzend ausgesuchter Tabletten. Ein paar waren zum Aufputschen, aber die meisten waren
Beruhigungsmittel. Für ihn galt grundsätzlich, wie Norman festgestellt hatte, daß er ohne jede pharmazeutische Hilfe seine
Rauschanfälle bekam; von ihnen wieder runterzukommen bedeutete manchmal ein Problem.
    Er nahm eine Percodan mit einem kleinen Schluck Scotch, dann
legte er sich zurück, starrte zur Decke und rauchte wieder eine
Zigarette nach der anderen, die er in dem überquellenden Aschenbecher ausdrückte, wenn sie heruntergebrannt waren.
    Diesmal dachte er nicht an Rose, jedenfalls nicht unmittelbar,
diesmal kreisten seine Gedanken um das Picknick, das ihre neuen
Freundinnen veranstalteten. Er hatte Ettinger’s Pier einen Besuch
abgestattet, und was er dort sah, war nicht besonders ermutigend.
Die Anlage war riesig - eine Mischung aus Strand, Picknickplatz
und Freizeitpark -, und er sah keine Möglichkeit, alles zu überwachen, damit er sie kommen oder gehen sehen konnte. Wenn er sechs
Männer zur Verfügung gehabt hätte (vier, die ihr Handwerk verstanden, hätten auch ausgereicht), wäre die Sache anders gewesen,
aber er war allein. Es gab drei Zugänge, vorausgesetzt, sie kam
nicht mit einem Boot, und er konnte schwerlich alle drei gleichzeitig
im Auge behalten. Das bedeutete, er mußte in der Menge suchen,
und in der Menge zu suchen, war ein Scheißjob. Er wünschte sich,
er hätte glauben können, daß Rose morgen die einzige wäre, die ihn
erkennen konnte, aber wenn Wünsche Schweine wären, wäre Speck
immer im Sonderangebot. Er mußte davon ausgehen, daß sie nach
ihm Ausschau hielten, und er mußte auch davon ausgehen, daß sie
von einer ihrer Schwestergruppen zu Hause Bilder von ihm bekommen hatten. Was es mit dem X auf sich hatte, wußte er nicht, aber er
glaubte mittlerweile, die ersten beiden Buchstaben von FAX standen für Fucked Again - schon wieder angeschmiert.
    Das war ein Teil des Problems. Der andere war seine Überzeugung, die durch mehr als eine bittere Erfahrung gestützt wurde,
daß Verkleidungen in so einer Situation todsicher zu einem Desasterführten. Die einzige Methode, die schneller und mit größerer
Sicherheit Fehlschläge produzierte, waren in seinem Metier die allseits beliebten Wanzen, durch die man sechs Monate Überwachungs- und Ermittlungsarbeit ruinieren konnte,

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