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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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trieben; und er warf die
Angel nach ihr aus. Er warf die Angel nach ihr aus, aber sein
Haken glitt nur durch Wasser. Nichts biß an, und das machte ihn
rasend. Es war fast, als wäre sie von Außerirdischen entführt worden, oder so. Einmal, als er schon reichlich betrunken war, hatte er
sich eine brennende Zigarette auf die Hand fallen lassen, die Faust
darum geballt und sich vorgestellt, es wäre ihre statt seiner, daß er
seine Hand über ihre halten und die Glut hineindrücken würde.
Und als die Schmerzen unerträglich wurden und Rauch zwischen
seinen Knöcheln hervorquoll, flüsterte er: »Wo bist du, Rose? Wo
versteckst du dich, du Nutte?«
    Nicht lange danach schlief er ein. Er erwachte am Freitag morgen gegen zehn, unausgeruht und verkatert und mit einem
undeutlichen Gefühl von Angst. Er hatte die ganze Nacht seltsame
Träume gehabt. Darin war er noch wach gewesen und hatte in seinem Bett im neunten Stock des Whitestone gelegen, das Licht vom
Bad tauchte den Raum in dämmeriges Licht, durch das der Rauch
der Zigaretten nach wie vor in wabernden blauen Membranen aufstieg. Nur konnte er in seinen Träumen Bilder wie im Kino in dem
Rauch erkennen. Er konnte Rose in dem Rauch sehen.
    Da bist du ja, dachte er, als er sie in einem schweren Gewitter
durch einen toten Garten gehen sah. Aus einem unerfindlichen
Grund war Rose nackt und er verspürte einen unerwarteten
Anflug von Lust. Seit acht Jahren oder länger hatte er beim Anblick
ihres nackten Körpers nichts anderes mehr als resignierten Ekel
empfunden, aber jetzt sah sie anders aus. Sogar ziemlich gut.
    Nicht, weil sie abgenommen hat, dachte er in dem Traum, obwohl es ganz danach aussieht … jedenfalls ein bißchen.
Hauptsächlich liegt es daran, wie sie bewegt, was sie hat.
Was ist es?
    Dann kam er darauf. Sie sah aus wie eine Frau, die mit jemandem
fickt und noch nicht einmal annähernd genug davon hat. Wenn es
ihm auch nur im entferntesten in den Sinn gekommen wäre, an dieser Feststellung zu zweifeln - zu sagen: Was, Rosie? Das muß ein
Witz sein, Vetter -, dann hätte ein Blick auf ihre Frisur die Frage
ein für allemal beantwortet. Sie hatte es schlampenblond gefärbt, als
hielte sie sich für Sharon Stone, oder gar Madonna.
    Er sah zu, wie seine Rauch-Rose den unheimlichen toten Garten
verließ und sich einem so dunklen Bach näherte, daß eher Tinte
statt Wasser darin zufließen schien. Sie überquerte ihn, indem sie
von Stein zu Stein hüpfte, wobei sie die Arme ausstreckte, um das
Gleichgewicht zu halten, und dabei sah er, daß sie eine Art nassen,
zusammengeknüllten Fetzen in einer Hand trug. Norman fand,
daß der Fetzen wie ein Nachthemd aussah, und dachte: Warum
ziehst du es nicht an, du schamloses Flittchen? Oder glaubst
du, daß dein Freund vorbeikommt und dir die Dose pudert?
Das würde ich gern sehen. Wirklich. Ich will dir eins sagen solltest du auch nur Händchen mit einem Kerl halten, wenn
ich dich schließlich gefunden habe, dann wird ihm sein Lustbolzen wie eine Geburtstagskerze aus dem Arsch ragen,
wenn die Cops ihn finden.
    Aber es kam niemand vorbei - jedenfalls nicht in dem Traum.
Die Rose über seinem Bett, die Rauch-Rose, ging auf einem Weg
durch einen kleinen Wald, dessen Bäume so tot aussahen wie …
nun, so tot wie Peter Slowik. Schließlich kam sie zu einer Lichtung,
wo ein Baum noch am Leben zu sein schien. Sie kniete nieder, sammelte ein paar Kerne ein und wickelte sie in einen Fetzen ihres
Nachthemds. Als sie das getan hatte, richtete sie sich auf, ging zu
einer Treppe hinter dem Baum (in Träumen wußte man nie, was für
eine abgefahrene Sache als nächstes passieren würde) und stieg
hinunter. Er wartete darauf, daß sie wieder heraufkommen würde,
als er eine Präsenz hinter sich spürte, etwas so Kaltes und Prostiges
wie ein Luftzug aus einem offenen Kühlhaus. In seiner Zeit als Cop
hatte er mit einigen ziemlich furchteinflößenden Gesellen zu tun
gehabt - am schlimmsten waren wahrscheinlich die PCP-Abhängigen, um die er und Harley Bissington sich ab und zu kümmern
mußten -, und nach einer Weile entwickelte man einen sechsten
Sinn für ihre Gegenwart. Den spürte Norman jetzt. Jemand näherte sich ihm von hinten, und er zweifelte nicht einen Augenblick
daran, daß dieser Jemand gefährlich war.
    »Ich vergelte«, flüsterte eine Frauenstimme. Es war eine angenehme Stimme, und sanft, aber dennoch furchteinflößend. Irrsinn
schwang darin mit.
    »Schön für dich, du Miststück«, sagte Norman in seinem
Traum.

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