Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sich
umgedreht hatte, um Bill zu folgen.
4
    »Wird ihnen nichts geschehen?« fragte sie, als sie wieder am
Seeufer angelangt waren. Sie hielt sich an seiner Schulter fest
und balancierte, als sie erst den linken und dann den rechten
Turnschuh auszog.
    »Du meinst, ob die Jungen gejagt und erlegt werden?«
Rosie nickte.
»Nicht, wenn sie sich von Gärten und Hühnerhäusern
    fernhalten, und Mom und Dad schlau genug sind, sie nicht in
die Nähe der Farmen zu lassen - das heißt, wenn sie normal
bleiben. Die Füchsin ist mindestens vier Jahre alt, der Rüde
vielleicht sieben. Wenn du ihn nur gesehen hättest. Sein
Schweif hat die Farbe von Ahornlaub im Herbst.«
    Sie hatten den halben Weg zum Picknickgelände zurückgelegt und standen bis zu den Knöcheln im Wasser. Sie
konnte seine Stiefel auf dem Stein sehen, wo er sie zurückgelassen hatte; die makellosen weißen Socken lagen immer
noch über den Schuhspitzen.
    »Was meinst du, >wenn sie normal bleiben»Tollwut«, sagte er. »Meistens räubern sie nur in Gärten
und Hühnerställen, wenn sie tollwütig werden. Dann fallen
sie auf. Und werden getötet. Füchsinnen bekommen sie häufiger als Rüden, und sie bringen den Jungen gefährliches Verhalten bei. Die Rüden gehen ziemlich schnell ein, aber Füch
sinnen können die Tollwut lange mit sich herumschleppen,
und dann werden sie immer bösartiger.«
»Wirklich?« fragte sie. »Wie schrecklich.«
Er blieb stehen und betrachtete ihr blasses, teilnahmsvolles Gesicht, dann nahm er sie in die Arme und drückte sie.
»Aber es muß nicht dazu kommen«, sagte er. »Bis jetzt haben
sie es ja geschafft.«
»Aber es könnte dazu kommen. Es könnte.«
Er dachte darüber nach und nickte. »Ja, klar«, sagte er.
»Alles ist möglich. Komm, essen wir. Was meinst du?«
»Klingt nicht schlecht.«
Aber sie dachte, daß sie nicht viel essen konnte, daß der
strahlende, aufmerksame Blick der Füchsin ihr den Appetit
verschlagen hatte. Doch als er die Sachen ausbreitete, die er
zum Essen mitgebracht hatte, überkam sie sofort Heißhunger. Ihr Frühstück hatte aus Orangensaft und einer trockenen
Scheibe Toast bestanden; sie war so aufgeregt (und ängstlich)
gewesen wie eine Braut am Morgen ihrer Hochzeit. Als sie
Brot und Fleisch sah, vergaß sie den Fuchsbau nördlich des
Strands.
Er holte immer mehr Essen aus der Kühltasche - Roastbeefsandwiches, Thunfischsandwiches, Geflügelsalat, Kartoffelsalat, Krautsalat, zwei Dosen Cola, eine Thermoskanne
mit Eistee, zwei Stückchen Torte, ein großes Stück Kuchen
-,
bis sie an Clowns denken mußte, die im Zirkus ihr Wägelchen ausluden, und sie lachte. Das war wahrscheinlich nicht
höflich, aber mittlerweile hatte sie genug Vertrauen zu ihm,
daß sie nicht mehr dachte, sie müßte immer höflich sein. Das
war gut, denn sie war nicht sicher, ob sie sich das Lachen
hätte verbeißen können.
Er sah mit einem Salzstreuer in der linken und einem Pfefferstreuer in der rechten Hand auf. Sie sah, daß er sorgfältig
Tesa über die Löcher geklebt hatte, falls die Streuer umfallen
sollten, und darüber mußte sie mehr denn je lachen. Sie
setzte sich auf die Bank beim Campingtisch, verbarg das
Gesicht in den Händen und versuchte, sich zusammenzureißen. Sie hätte es fast geschafft, als sie zwischen den Fingern hindurch blinzelte und diesen unglaublichen Stapel
von Sandwiches sah - ein halbes Dutzend für zwei Personen,
jedes diagonal durchgeschnitten und in Zellophan eingeschlagen. Da mußte sie wieder lachen.
»Was?« fragte er und lächelte selbst. »Was ist los, Rosie?«
»Rechnest du damit, daß Freunde vorbeikommen?« fragte
sie immer noch kichernd. »Vielleicht eine Mannschaft der
Jugendliga? Oder eine Pfadfindergruppe?«
Sein Lächeln wurde breiter, aber in seinen Augen blieb der
ernste Blick. Es war ein vielsagender Gesichtsausdruck, aus
dem hervorging, daß er begriff, was hier komisch war, und
was nicht, und da sah sie endlich, daß er tatsächlich in ihrem
Alter war, oder so dicht dran, daß es keine Rolle spielte. »Ich
wollte nur sicher sein, daß etwas dabei ist, das dir schmeckt,
das ist alles.«
Ihr Kichern verstummte, aber sie lächelte ihn weiter an.
Nicht seine Liebenswürdigkeit fiel ihr auf, die ihn jünger
machte, sondern seine Offenheit, durch die er irgendwie
älter wirkte.
»Bill, ich kann einfach alles essen«, sagte sie.
»Da bin ich ganz sicher«, sagte er und setzte sich neben sie,
»aber darum geht es nicht. Mir geht es nicht darum, was du
aushalten kannst oder

Weitere Kostenlose Bücher