Das Bild
Fehler. Sie merkte es sofort, aber das war
immer noch ein paar Sekunden zu spät. Das Flackern in seinen Augen war kurz, aber nicht zu übersehen. Wenn sie
wegen eines Problems, das ihn nichts anging, zum Wachpersonal wollte, gut. Wenn es ihn etwas anging, und sei es nur
am Rande, war das nicht gut. Vielleicht hatte er schon Ärger
mit dem Wachpersonal gehabt, vielleicht hatte er auch nur
einen Verweis bekommen, weil er so ein unfreundliches
Arschloch war. Wie auch immer, er war zum Ergebnis
gekommen, daß die ganze Angelegenheit ein Ärgernis
bedeutete, das er nicht brauchte.
»Das ist nicht der Mann«, sagte er. Er hatte das Foto
genommen und es sich genauer angesehen. Jetzt versuchte
er, es ihr wieder in die Hand zu drücken. Gert hob die
Hände, drückte sie über ihrem gewaltigen Busen an die
Brust und weigerte sich, es zu nehmen, jedenfalls vorerst.
»Bitte«, sagte sie. »Wenn er hier ist, sucht er nach einer
Freundin von mir, aber ganz bestimmt nicht, um mit ihr Rie
senrad zu fahren.«
»He!« rief jemand in der wachsenden Schlange. »Mach
voran, los!«
Zustimmende Rufe ertönten, und Monsieur Bester Groß
vater der Welt hob die Videokamera wieder. Diesmal schien
er allerdings nur Gerts neuen Freund, Mr. Überfreundlich,
auf Band bannen zu wollen. Gert sah, wie Chris zu ihm
schaute, wie seine Wangen Farbe bekamen und wie er verstohlen sein Gesicht mit der Hand abschirmte, wie ein Missetäter, der nach seiner Festnahme aus dem Gerichtsgebäude
geführt wird. Die Chance, daß sie hier etwas herausfand, war
vertan.
»Das ist nicht der Mann!« schnappte Chris. »Nicht
die
geringste Ähnlichkeit! Und jetzt schaffen Sie Ihren fetten
Arsch fort, sonst lasse ich Sie aus dem Park werfen.«
»Sie haben’s gerade nötig«, sagte Gert verschnupft. »Ich
könnte ein Menü mit zwölf Gängen auf Ihrem Hinterteil aufstellen und würde keine einzige Gabel in die Spalte fallenlassen.«
»Raus! Sofort!«
Gert stapfte mit glühend heißen Wangen zum Picknickgelände zurück. Sie kam sich wie eine Närrin vor. Wie hatte
sie es nur so total vermasseln können? Sie versuchte sich einzureden, daß es an der Umgebung lag - zu laut, zu chaotisch,
zu viele Leute, die wie die Verrückten herumliefen und versuchten, sich zu amüsieren -, aber es lag nicht an der Umgebung. Sie hatte Angst, darum war es passiert. Die Vorstellung, Rosies Mann könnte Peter Slowik umgebracht haben,
war schlimm, aber der Gedanke, daß er heute hier sein und
sich als gelähmter Rocker verkleidet haben könnte, war tausendmal schlimmer. Sie hatte schon früher Irre gesehen, aber
ein Irrer mit dieser Ausbildung und besessener Entschlos
senheit …
Wo war Rosie überhaupt? Nicht hier, das war alles, was
Gert mit Sicherheit wußte. Noch nicht hier, verbesserte sie
sich.
»Ich hab’s vermasselt«, murmelte sie, und dann fiel ihr ein,
was sie fast allen Frauen sagte, die zu D & S kamen: Wenn ihr
es wißt, handelt entsprechend.
Okay, sie würde entsprechend handeln. Das bedeutete,
das Wachpersonal des Parks blieb außen vor, zumindest vorerst - wahrscheinlich war es unmöglich, sie zu überzeugen,
und wenn, würde es wahrscheinlich zu lange dauern. Aber
sie hatte den kahlköpfigen Rocker im Picknickbereich rumhängen und mit mehreren Leuten reden sehen, überwiegend
Frauen. Lana Kline hatte ihm sogar etwas zu essen spendiert.
Ein Eis, wie es ausgesehen hatte.
Gert lief hastig zum Picknickgelände zurück; sie mußte
pinkeln, versuchte aber, nicht darauf zu achten. Sie hielt nach
Lana oder einer anderen Frau Ausschau, die mit dem Kahlkopf gesprochen hatte, aber es war, als würde sie nach einem
Polizisten suchen - nie war einer in der Nähe, wenn man
einen brauchte.
Aber jetzt mußte sie wirklich; es brachte sie um. Warum,
verdammt noch mal, hatte sie soviel Eistee trinken müssen?
11
Norman rollte langsam den Hauptweg des Freizeitparks entlang,
zurück zum Picknickgelände. Die Frauen aßen immer noch, aber
bestimmt nicht mehr lange - er konnte die ersten leeren Tabletts
sehen, die abgeräumt wurden. Er mußte sich beeilen, wenn er handeln wollte, solange sich die meisten noch an einem Ort aufhielten.
Sorgen machte er sich keine mehr; das war vorbei. Er wußte genau,
wohin er mußte, wenn er eine Frau allein finden wollte, mit der er
reden konnte - aus der Nähe. Frauen können an keiner Toilette
vorbeigehen, Normie, hatte sein Vater ihm mal gesagt. Sie sind
wie Hündinnen, die an keinem einzigen Fliederbusch vorbeigehen können, ohne sich hinzuhocken.
Norman
Weitere Kostenlose Bücher