Das Bild
angenehm,
wenn Sie jeweils die Hälfte im voraus bezahlen könnten,
zumindest eine Weile.«
»Das kann ich«, sagte Rosie. »Ich hab immer noch etwas
Geld. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Mrs. Stevenson.«
»Ms. für meine Geschäftspartner und Anna für Sie«, sagte
sie und sah zu, wie Rosie ihren Namen unten auf das Blatt
kritzelte. »Und Sie müssen mir ebenso wenig danken wie
Peter Slowik. Die Vorsehung hat Sie hierher geführt - die
göttliche Vorsehung, wie in einem Roman von Charles
Dickens. Das ist meine feste Überzeugung. Ich habe zu viele
Frauen gebrochen hier hereinkriechen und geheilt wieder
hinausgehen gesehen, als daß ich es nicht glauben könnte.
Peter ist einer von zwei Dutzend Leuten in der Stadt, die
Frauen zu mir schicken, aber die Macht, die Sie zu ihm
geführt hat, Rose … das war die Vorsehung.«
»Die göttliche Vorsehung.«
»Ganz genau.« Anna studierte Rosies Unterschrift, dann
legte sie das Blatt Papier rechts von sich auf ein Regal, und
Rosie war überzeugt, daß es innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden dort im allgemeinen Durcheinander verschwinden würde.
»Nun gut«, sagte Anna im Tonfall von jemandem, der
langweilige Formalitäten hinter sich gebracht hat und sich
nun dem zuwendet, was ihm wirklich Spaß macht. »Was
können Sie?«
»Können?« wiederholte Rosie. Plötzlich fühlte sie sich wieder schwach. Sie wußte, was jetzt kommen würde.
»Ja, können, was können Sie? Zum Beispiel Stenokenntnisse?«
»Ich …« Sie schluckte. Sie hatte an der Aubreyville High
Stenographie I und II belegt gehabt, und sie hatte in beiden
Kursen eine eins bekommen, aber heutzutage würde sie
einen Krakel nicht mehr vom anderen unterscheiden können. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Kein Steno. Früher, aber
jetzt nicht mehr.«
»Andere Sekretärinnenkenntnisse?«
Sie schüttelte den Kopf. Warme Nässe brannte in ihren
Augen. Sie blinzelte sie erbost weg. Die Knöchel ihrer verschränkten Hände wurden wieder weiß.
»Schreibmaschine?«
»Nein.«
»Mathe? Buchhaltung? Finanzen?«
»Nein!«
Anna Stevenson fand zwischen den Papierbergen einen
Bleistift, zog ihn heraus und klopfte mit dem Radiergummi
gegen ihre weißen Zähne. »Können Sie bedienen?«
Rosie wollte mit aller Verzweiflung ja sagen, dachte aber
an die riesigen Tabletts, die Bedienungen den ganzen Tag
herumtragen mußten … und dann dachte sie an ihren
Rücken und ihre Nieren.
»Nein«, flüsterte sie. Sie verlor den Kampf gegen die Tränen; das kleine Zimmer und die Frau auf der anderen Seite
verschwammen allmählich. »Jedenfalls noch nicht. Vielleicht
in einem oder zwei Monaten. Mein Rücken … im Moment
bin ich nicht kräftig genug.« Oh, das hörte sich wie eine Lüge
an. Wenn Norman so etwas im Fernsehen hörte, lachte er
immer zynisch und erzählte etwas von Wohlfahrts-Cadillacs
und Essensmarkenmillionären.
Anna Stevenson indessen schien nicht besonders beeindruckt zu sein. »Was für Fähigkeiten haben Sie denn, Rosie?
Irgendwelche?«
»Ja!« sagte sie und war selbst betroffen über den schroffen,
zornigen Unterton in ihrer Stimme, den sie allerdings nicht
mildem oder gar verschwinden lassen konnte. »O ja, wahrhaftig! Ich kann abstauben, ich kann Geschirr spülen, ich kann
Betten machen, ich kann staubsaugen, ich kann Essen für zwei
Personen zubereiten, ich kann einmal die Woche mit meinem
Mann schlafen. Und ich kann einen Knuff vertragen. Das ist
auch eine meiner Fähigkeiten. Glauben Sie, eines der hiesigen Sportstudios hat eine Stelle als Sparringspartner frei?«
Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie
weinte in die hohlen Hände hinein, wie so oft in den Jahren,
seit sie ihn geheiratet hatte, weinte und wartete darauf, daß
Anna ihr sagen würde, daß sie hinausgehen sollte, daß sie
das freie Bett auch einer Frau geben konnte, die keine Klugscheißerin war.
Etwas stieß gegen ihren linken Handrücken. Sie ließ die
Hand sinken und sah, daß es eine Kleenex-Box war. Anna
Stevenson hielt sie ihr hin. Und es war unglaublich, aber
Anna Stevenson lächelte.
»Ich glaube nicht, daß Sie für jemand den Sparringspartner machen müssen«, sagte sie. »Ich glaube, auch für Sie
wird alles gut werden - wie meistens. Hier, trocknen Sie Ihre
Tränen.«
Und während Rosie das tat, erzählte Anna ihr vom Whitestone Hotel, mit dem Daughters and Sisters eine langjährige und nützliche Beziehung verband. Das Whitestone
gehörte einer Firma, in deren Aufsichtsrat Annas wohlhabender Vater einmal
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