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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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daß Klopfer ihn nicht sehen
konnte, blieb aber in Hörweite von Klopfers Gesprächen.
Gegen Viertel nach vier kam eine weinende Frau zum Stand von
Traveller’s Aid. Sie erzählte Klopfer, daß sie mit dem Greyhound
von New York City gekommen sei und ihr im Schlaf jemand die
Geldbörse aus der Tasche gestohlen hatte. Es folgte eine Menge
Blah-blah, die Frau verbrauchte mehrere von Klopfers KleenexTüchern, und zuletzt nannte er ihr die Adresse eines Hotels, wo sie
zwei Nächte bleiben konnte, bis ihr Mann ihr Geld schickte.
Wenn ich dein Mann wäre. Lady, würde ich dir das Geld
selbst bringen, dachte Norman, der weiter hinter der Bude auf
und ab ging. Außerdem würde ich dir einen kräftigen Arschtritt verpassen, weil du so blöd gewesen bist.
Als Klopfer mit dem Hotel telefonierte, nannte er seinen Namen,
Peter Slowik . Das genügte Norman. Als sich der Judenbengel wieder mit der Frau unterhielt und ihr den Weg beschrieb, gab Norman seinen Posten hinter dem Stand auf und ging zu den Münzfernsprechern, wo es tatsächlich zwei Telefonbücher gab, die nicht
verbrannt, zerrissen oder mitgenommen worden waren. Er konnte
die Informationen, die er brauchte, später bekommen, indem er sein
eigenes Polizeirevier anrief, aber das wollte er eigentlich lieber
nicht. Je nachdem, wie es mit dem Prawda-lesenden Judenbengel
lief, konnte es gefährlich sein, Leute anzurufen, weil es sich eventuell später rächte. Wie sich herausstellte, war es auch gar nicht
nötig. Es standen nur drei Slowiks und ein Slowick im städtischen
Telefonbuch. Nur einer davon hieß Peter.
Daniels schrieb Klopfersteins Adresse auf, verließ den Busbahnhof und ging zum Taxistand. Der Fahrer des ersten Taxis war ein
Weißer - ein Hoffnungsschimmer -, und Normanfragte ihn, ob es
ein Hotel in der Stadt gab, wo man ein Zimmer gegen Barzahlung
bekommen konnte und sich, wenn das Licht aus war, kein Küchenschabenwettrennen anhören mußte. Der Fahrer dachte nach, dann
nickte er. »Das Whitestone. Gut, billig, Bargeld wird akzeptiert,
keine Fragen.«
Norman machte die hintere Tür des Taxis auf und stieg ein.
»Fahren wir«, sagte er.
2
    Robbie Lefferts war da, wie er es versprochen hatte, als Rosie
der atemberaubenden Rothaarigen mit den langen ModelBeinen am Montagvormittag ins Aufnahmestudio C von Tape
Engine folgte, und er war so nett zu ihr wie an der Straßenecke, als er sie gebeten hatte, ihm laut aus einem der Taschenbücher vorzulesen, die er gerade gekauft hatte. Rhoda
Simons, die Frau um die Vierzig, die ihre Regisseurin sein
würde, war ebenfalls nett zu ihr, aber … Regisseurin! So ein
seltsames Wort im Zusammenhang mit Rosie McClendon, die
nicht einmal an der Schulaufführung ihrer Abschlußklasse
teilgenommen hatte. Curtis Hamilton, der Tontechniker, war
auch nett, obwohl er anfangs so sehr mit seinen Knöpfen
beschäftigt war, daß er ihr nur rasch und geistesabwesend die
Hand schütteln konnte. Als Rosie mit Robbie und Ms. Simons
eine Tasse Kaffee trank, bevor sie die Segel setzten (wie Robbie sich ausdrückte), gelang es ihr, die Tasse ganz normal zu
halten, ohne einen Tropfen zu verschütten. Aber als sie durch
die Schwingtür in die kleine verglaste Aufnahmekabine trat,
überkam sie ein so heftiger Anfall von Panik, daß sie fast den
Stapel Fotokopien fallengelassen hätte, die Rhoda »Skript«
nannte. Sie fühlte sich fast wie in dem Moment, als sie das rote
Auto die Westmoreland Street hochkommen gesehen und
gedacht hatte, es wäre Normans Sentra.
    Sie merkte, wie sie sie von der anderen Seite der Glasscheibe ansahen - sogar der ernste junge Curtis Hamilton
sah sie jetzt an -, und ihre Gesichter sahen verzerrt und verschwommen aus, als würde sie sie durch Wasser statt durch
Luft sehen. So sehen Goldfische die Menschen, die sich herunterbeugen, damit sie in das Aquarium schauen können, dachte sie,
und gleich darauf: Ich kann es nicht. Wie, in Gottes Namen,
konnte ich mir das nur je einbilden?
    Ein lautes Klicken ertönte, und sie zuckte zusammen.
»Ms. McClendon?« Es war die Stimme des Tontechnikers.
»Könnten Sie sich vor das Mikrophon setzen, damit ich eine
Probe machen kann?«
Sie war nicht sicher, ob sie das konnte. Sie war nicht einmal
sicher, ob sie sich überhaupt bewegen konnte. Sie stand wie
angewurzelt da und sah durch die Kabine zum Mikrophon,
dessen Kopf ihr entgegenragte wie der einer gefährlichen,
futuristischen Schlange. Und selbst wenn es ihr gelingen
würde, durch die Kabine zu gehen, würde sie keinen

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