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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ms. Wendy Yarrow war
Teilzeitkellnerin, Teilzeitnutte und Vollzeit-Drogensüchtige, aber
sie war nicht in Richie Benders Zimmer gewesen und hatte nicht
einmal gewußt, daß es überhaupt einen Richie Bender auf diesem
Planeten gab. Wie sich herausstellte, war Richie Bender tatsächlich der Mann, der das Payless überfallen und den Kassierer umgelegt hatte, aber sein Zimmer lag nicht zwischen dem Cola-Automaten und den Zeitungsständern; das war Wendy Yarrows Zimmer,
und WendyYarrow war ganz allein gewesen, zumindest an diesem
besonderen Tag.
Richie Benders Zimmer lag auf der anderen Seite des ColaAutomaten, und dieser Irrtum hätte Norman Daniels und Harley
Bissington um ein Haar ihre Jobs gekostet, aber schließlich hatten
die Typen vom IAD die Geschichte mit der Nagelfeile geglaubt, und
es gab keine Spermaspuren, die einen Beweis für Ms. Yarrows
angebliche Vergewaltigung geliefert hätten. Ihre Behauptung, daß
der ältere der beiden - der es tatsächlich geschafft hatte, ihn ihr
reinzustecken - ein Kondom benutzt und es anschließend die Toilette hinuntergespült hatte, ließ sich nicht beweisen.
Aber es hatte andere Probleme gegeben. Selbst ihre größten
Anhänger im Revier hatten zugeben müssen, daß die Inspektoren
Daniels und Bissington bei ihren Bemühungen, diese fünfzig Kilo
schwere Raubkatze mit der Nagelfeile zur Räson zu bringen, vielleicht ein bißchen zu weit gegangen waren; so hatte sie zum Beispiel tatsächlich ein paar gebrochene Finger. Darum die offizielle
Verwarnung. Und das war noch nicht alles gewesen. Das aufmüpfige Luder hatte diesen Itzig gefunden … diesen kleinen, kahlköpfigen Itzig…
Aber die Welt war voll von aufmüpfigen Ludern, die nur Ärger
machten. Seine Frau, zum Beispiel. Aber sie war ein aufmüpfiges
Luder, gegen das er etwas unternehmen konnte … immer vorausgesetzt, er bekam ein bißchen Schlaf.
Norman drehte sich auf die andere Seite, und da begann 1985
endlich zu verblassen. »Wenn du es am wenigsten erwartest,
Rose«, murmelte er. »Dann werde ich dich erwischen.«
Fünf Minuten später war er eingeschlafen.
IO
    Die schlampige Schnalle, so hat er sie genannt, dachte Rose in
ihrem Bett. Sie war inzwischen auch fast eingeschlafen, aber
noch nicht ganz; sie konnte immer noch die Grillen im Park
hören. Die schlampige Mulattenschnalle. Wie sehr er sie gehaßt
hatte!
    Ja, selbstverständlich hatte er sie gehaßt. Zunächst einmal
war da der Schlamassel mit den Ermittlern vom IAD gewesen. Norman und Harley Bissington waren gerade noch mal
mit heiler Haut aus der Sache rausgekommen, um dann festzustellen, daß die schlampige Mulattenschnalle sich einen
Anwalt genommen hatte (einen glatzköpfigen, jüdischen
Schmerzensgeldjäger, in Normansprache), der in ihrem Auftrag eine enorme Zivilklage gegen sie eingereicht hatte.
Gegen Norman, Harley, das ganze Polizeirevier. Und dann,
nicht lange vor Rosies Fehlgeburt, war Wendy Yarrow
ermordet worden. Man fand sie hinter einem der Getreidesilos am Westufer des Sees. Sie hatte über hundert Stichwunden, und ihre Brüste waren abgeschnitten worden.
    Ein Perverser, hatte Norman zu Rosie gesagt, und obwohl
er nicht lächelte, als er den Hörer auflegte -jemand im CopShop mußte echt aufgeregt gewesen sein, daß er ihn zu
Hause anrief -, klang unbestreitbar Zufriedenheit aus seiner
Stimme heraus. Sie hat das Spiel einmal zu oft gespielt und einen
Joker aus dem Blatt gezogen. Berufsrisiko. Da hatte er ihr sehr
zärtlich über das Haar gestreichelt und gelächelt. Nicht das
beißende Lächeln, bei dem sie schreien wollte, aber zum
Schreien war ihr trotzdem zumute gewesen, denn auf einmal
hatte sie gewußt, einfach so, was Wendy Yarrow, der schlampigen Mulattenschnalle, zugestoßen war.
    Siehst du, wie gut du es hast? hatte er sie gefragt und ihr den
Hals mit seinen großen, schwieligen Händen gestreichelt, die
Schultern, die Wölbungen ihrer Brüste. Siehst du, wie gut du es
hast, daß du dich nicht auf der Straße verkaufen mußt, Rose?
    Dann - vielleicht einen Monat später, vielleicht auch sechs
Wochen - war er aus der Garage gekommen, hatte Rosie
einen Liebesroman lesen gesehen und entschieden, daß er
mit ihr darüber reden mußte, wie sie ihre Freizeit gestaltete.
Daß er dringend mit ihr darüber reden mußte - aus der
Nähe.
1985, ein Jahr in der Hölle.
    Rosie lag im Bett, hatte die Hände unter das Kissen geschoben, döste dem Einschlafen entgegen und lauschte dem Zirpen der Grillen/ das zum Fenster hereindrang und sich

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