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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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so
nahe anhörte, als wäre ihr Zimmer auf wundersame Weise
zum Musikpavillon im Park befördert worden, und sie
dachte an eine Frau, die mit an den schweißnassen Wangen
festklebendem Haar, einem Unterleib, so hart wie Stein, und
in den vom Schock dunklen Augenhöhlen rollenden Augen
in der Ecke auf dem Boden hockte, während die dunklen
Küsse ihre Schenkel kitzelten; diese Frau war noch Jahre
davon entfernt, den Tropfen Blut auf dem Laken zu sehen, sie
hatte nicht gewußt, daß es so etwas wie Daughters and
Sisters oder Männer wie Bill Steiner gab, sie hatte die Arme
gekreuzt und hielt sich an den Schultern fest und betete zu
einem Gott, an den sie nicht mehr glaubte, daß es keine Fehlgeburt sein sollte, nicht das Ende ihres kleinen, süßen
Traums, doch dann dachte sie, als sie spürte, wie es passierte,
daß es vielleicht so besser war. Sie wußte, wie Norman seinen Pflichten als Ehemann nachkam; wie mochte es mit der
Erfüllung seiner Pflichten als Vater bestellt sein?
    Das leise Zirpen der Grillen wiegte sie in den Schlaf. Und
sie konnte sogar Gras riechen - moschusartigen, süßlichen
Duft, der im Mai fehl am Platze wirkte. Es war der Geruch,
den sie mit frisch gemähten Wiesen im August assoziierte.
    Ich habe noch nie das Gras im Park gerochen, dachte sie
schläfrig. Bewirkt das die Liebe-zumindest die Zuneigung bei einem? Schärft sie einem die Sinne, während sie einen
gleichzeitig verrückt macht?
    In weiter Ferne hörte sie ein Grollen wie von Donner. Auch
das war seltsam, denn der Himmel war klar gewesen, als Bill
sie nach Hause gebracht hatte - sie hatte aufgesehen und
gestaunt, wieviel Sterne sie trotz der grellen, orangefarbenen
Straßenlaternen erkennen konnte.
    Sie döste ein, entschlummerte, versank in den letzten
traumlosen Schlaf, den sie für lange Zeit haben sollte, und ihr
letzter Gedanke, bevor die Dunkelheit sie verschlang, war: Wie kann ich Grillen hören oder Gras riechen? Das Fenster ist nicht offen; ich hab es zugemacht, bevor ich ins Bett gegangen bin.
Zugemacht und verriegelt.
v
Grillen
1
    Am späten Mittwochnachmittag schwebte Rosie förmlich
ins Hot Pot. Sie bestellte sich eine Tasse Tee und ein Stück
Kuchen, setzte sich ans Fenster und aß und trank langsam,
während sie den endlosen Strom der Fußgänger draußen
beobachtete - um diese Zeit überwiegend Büroangestellte
auf dem Weg nach Hause. Da sie nicht mehr im Whitestone
arbeitete, lag das Hot Pot nicht mehr auf ihrem Weg, aber sie
war trotzdem, ohne darüber nachzudenken, hierher gekommen, was möglicherweise daran lag, daß sie hier so viele
angenehme Stunden mit Pam verbracht und nach der Arbeit
Tee getrunken hatte, möglicherweise aber auch daran, daß
sie nicht besonders entdeckungsfreudig war - jedenalls noch
nicht -, und sie dieses Lokal kannte und sich dort sicher
fühlte.
    Sie war gegen zwei Uhr mit Der Teufelsrochen fertig gewesen und hatte unter dem Tisch nach ihrer Handtasche gegriffen, als Rhoda Simons sich über Lautsprecher meldete.
»Möchten Sie eine kleine Pause, bevor wir mit dem nächsten
anfangen, Rosie?« hatte sie gefragt, und das war es, einfach
so. Sie hatte gehofft, sie würde die anderen drei Bell/RacineRomane auch bekommen, hatte geglaubt, sie würde sie
bekommen, aber nichts kam der Erleichterung gleich, es
tatsächlich zu wissen.

Und das war nicht alles. Als sie um vier Uhr aufgehört hatten (da hatten sie bereits zwei Kapitel eines düsteren kleinen
Thrillers mit dem Titel Kitt All My Tomorrozus hinter sich),
fragte Rhoda Rosie, ob es ihr was ausmachen würde, ein paar
Minuten mit ihr auf die Damentoilette zu kommen.
    »Ich weiß, das hört sich grotesk an«, sagte sie, »aber ich
würde für eine Zigarette sterben, und das ist der einzige
Platz in diesem ganzen verdammten Gebäude, wo ich mich
traue, ab und zu eine zu paffen. Das moderne Leben ist eine
Qual, Rosie.«
    In der Toilette hatte sich Rhoda eine Capri angezündet und
sich mit einer Anmut, die auf lange Übung schließen ließ, auf
den Sims zwischen zwei Waschbecken gesetzt. Sie schlug die
Beine übereinander, hakte den linken Fuß hinter der rechten
Wade ein und sah Rosie abschätzend an.
»Ihre Frisur gefällt mir«, sagte sie.
    Rosie berührte verlegen ihre Haare. Sie hatte sich aus einer
Laune heraus gestern abend im Schönheitssalon eine neue
Frisur machen lassen, fünfzig Dollar, die sie sich nicht leisten
konnte… und trotzdem ausgeben mußte. »Danke«, sagte sie.
»Robbie will Ihnen einen Vertrag anbieten, wissen

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