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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem
Kaltwasserhahn ausgemacht, die Kippe in den Abfalleimer
geworfen hatte und dann zu ihr gekommen war. »Ich weiß,
Sie sind in einer Situation, wo Ihnen ein sicherer Job wichtig
ist, und ich will nicht sagen, daß Robbie ein schlechter
Mensch ist - ich arbeite seit 1982 immer wieder mal mit ihm
und weiß, daß er es nicht ist -, aber ich bitte Sie trotzdem, die
Tauben auf dem Dach im Auge zu behalten, während Sie
darauf achten, daß Ihnen der Spatz in der Hand nicht wegfliegt. Haben Sie mich verstanden?«
»Nicht ganz, nein.«
»Willigen Sie ein, für den Anfang sechs Bücher zu machen,
nicht mehr. Von acht Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags,
hier bei Tape Engine. Ein Tausender pro Woche.«
Rosie starrte sie an und fühlte sich, als hätte ihr jemand das
Rohr eines Staubsaugers in den Hals gesteckt und die ganze
Luft aus ihren Lungen gesogen. »Tausend Dollar pro Woche? Sind Sie verrückt?«
    »Fragen Sie Curt Hamilton, ob er mich für verrückt hält«,
sagte Rhoda gelassen. »Vergessen Sie nicht, es ist nicht nur
die Stimme, es sind die Takes. Sie haben den Teufelsrochen mit
hundertvier hinbekommen. Niemand, den ich kenne, hätte
es unter zweihundert geschafft. Sie haben eine ausgezeichnete Stimme, aber das absolut Unglaubliche ist Ihre Atemtechnik. Wie konnten Sie nur so eine tolle Technik entwickeln, wo Sie doch nicht mal singen?«
    Da hatte Rosie ein Bild aus einem Alptraum vor sich gesehen: Wie sie in der Ecke saß und ihre Nieren anschwollen
und pochten wie aufgeblähte Beutel voll Wasser; wie sie
die Schürze mit den Händen hochhielt und zu Gott betete,
daß sie sie nicht vollmachen würde, weil es so wehtat, sich
zu übergeben, weil es ein Gefühl war, als würden ihre Nie ren dabei mit langen, spitzen Pflöcken durchbohrt werden.
Wie sie am Boden saß und gedehnt und flach ein-, aber langsam und ruhig wieder ausatmete, da das am besten funktionierte; wie sie versuchte, ihren rasenden, panischen Herzschlag dem ruhigeren Rhythmus ihres Atmens anzupassen, während sie anhören mußte, wie Norman sich in der
Küche ein Sandwich machte und mit seinem überraschend
guten Barsänger-Tenor »Daniel« oder »Take A Letter, Maria«
sang.
    »Ich weiß nicht«, hatte sie zu Rhoda gesagt. »Bevor ich Sie
kennenlernte, hab ich nicht mal gewußt, was Atemtechnik
ist. Ich nehme an, es ist einfach eine Begabung.«
    »Dann schätzen Sie sich glücklich, Mädchen«, sagte Rhoda.
»Wir sollten lieber wieder raufgehen; Curt wird denken, daß
wir hier drinnen abartige Frauenrituale praktizieren.«
    Robbie hatte von seinem Büro in der Innenstadt angerufen
und ihr gratuliert, daß sie den Teufelsrochen fertig hatte gerade als sie Feierabend machen wollte, war das gewesen -,
und er hatte zwar nicht direkt von einem Vertrag gesprochen, sie aber gefragt, ob sie am Freitag mittag mit ihm essen
gehen würde, damit sie sich über eine, wie er sich ausdrückte, »geschäftliche Vereinbarung« unterhalten konnten.
Rosie hatte eingewilligt und nachdenklich aufgelegt. Sie
hatte gedacht, daß Rhodas Beschreibung genau zutraf: Robbie Lefferts sah wirklich wie der kleine Mann auf den Monopolykarten aus.
    Als sie den Hörer in Curtis’ Büro auflegte - ein überfülltes,
enges Kabuff, wo Tausende Visitenkarten mit Reißzwecken
an den Korkwänden festgesteckt waren
- und ins Studio
zurückkehrte, um ihre Handtasche zu holen, war Rhoda fort,
wahrscheinlich auf eine letzte Zigarette in der Damentoilette. Curt beschriftete Tonbandkartons. Er sah auf und grinste sie an. »Prima Arbeit heute, Rosie.«
»Danke.«
    »Rhoda sagt, Robbie wird Ihnen einen Vertrag anbie ten.«
»Das hat sie gesagt«, stimmte Rosie zu. »Und ich glaube,
sie könnte recht haben. Klopfen wir auf Holz.«
»Nun, Sie sollten beim Feilschen eines nicht vergessen«,
sagte Curtis und verstaute die Kartons auf einem hohen
Regal, wo Dutzende gleicher Boxen nebeneinander standen
wie dünne weiße Bücher. »Wenn Sie fünfhundert Dollar für Der Teufelsrochen bekommen haben, dann hat Robbie schon
verdient … weil Sie ihm wahrscheinlich siebenhundert
Dollar an Studiozeit gespart haben. Kapiert?«
Sie hatte in der Tat kapiert, und nun saß sie im Hot Pot und
hatte eine unerwartet strahlende Zukunft vor sich. Sie hatte
Freunde, eine Bleibe, einen Job und die Aussicht auf mehr
Arbeit, wenn sie mit Christina Bell fertig war. Einen Vertrag,
der möglicherweise tausend Dollar die Woche bedeutete,
was mehr was, als Norman verdiente. Es war verrückt, aber
es entsprach der Wahrheit.

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