Das Bild
Sie.«
Rosie schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. »Nein, das weiß
ich nicht. Was soll das heißen?«
»Er sieht vielleicht aus wie Mr. Pennybags auf den Gemeinschaftskarten beim Monopoly, aber Robbie ist seit 1975
in der Audiobuchbranche tätig und weiß, wie gut Sie sind. Er
weiß es besser als Sie selbst. Sie glauben, daß Sie ihm eine
Menge schuldig sind, nicht?«
»Ich weiß, daß es so ist«, antwortete Rosie steif. Ihr gefiel
der Verlauf nicht, den diese Unterhaltung nahm; sie mußte
an die Stücke von Shakespeare denken, wo jemand seinem
Freund einen Dolch in den Rücken stieß und sie dann ellenlang darüber monologisierten, wie unvermeidlich es gewesen war.
»Vergessen Sie über Ihrer Dankbarkeit nur nicht Ihre eigenen Interessen«, sagte Rhoda, schnippte die Asche fein säuberlich ins Waschbecken und spülte sie mit etwas kaltem
Wasser hinunter. »Ich kenne Ihre Lebensgeschichte nicht und will sie auch nicht unbedingt kennen, aber Sie haben Der Teufelsrochen in nur hundertvier Takes geschafft, was ein verdammtes Phänomen ist, und ich weiß, Sie hören sich wie die
junge Elizabeth Taylor an. Ich weiß auch - weil es Ihnen
förmlich ins Gesicht geschrieben steht
-, daß Sie allein leben,
es aber nicht gewöhnt sind. Sie sind so tabula rasa, daß es
beängstigend ist. Wissen Sie, was ich damit meine?«
Rosie war sich nicht hundertprozentig sicher - etwas von
wegen naiv sein, glaubte sie -, aber das wollte sie Rhoda
nicht zeigen. »Ja, natürlich.«
»Gut. Aber verstehen Sie mich um Himmels willen nicht
falsch - ich versuche nicht, Robbie eins auszuwischen oder
mir selbst ein Stück von Ihrem Kuchen abzuschneiden. Ich
denke an Ihren Erfolg. Rob auch. Und Curtis. Es ist nur so,
daß Rob auch an seine Brieftasche denkt. Audiobücher sind
immer noch eine ziemlich neue Branche. Wären sie das Filmgeschäft, würden wir noch mitten in der Stummfilmzeit
stecken. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
»Gewissermaßen.«
»Wenn Robbie sich Ihre Aufzeichnungen von Der Teufelsrochen anhört, dann denkt er an eine Audioversion von Mary
Pickford. Ich weiß, das hört sich verrückt an, aber es stimmt.
Sogar die Art und Weise, wie er Sie kennengelernt hat, paßt
dazu. Einer Legende zufolge soll Lana Turner in Schwab’s
Drugstore entdeckt worden sein. Nun, Robbie entwirft im
Geiste schon seine eigene Legende, wie er Sie im Pfandleihhaus seines Freundes Steiner entdeckt hat, wo Sie sich antike
Postkarten angesehen haben.«
»Hat er Ihnen das erzählt?« fragte sie und verspürte ein
Gefühl der Zuneigung für Robbie Lefferts in sich aufwallen,
das fast Liebe gleichkam.
»Nn-nnn, aber wo er Sie gefunden hat und was Sie dort
gemacht haben, ist eigentlich nicht wichtig. Tatsache ist, Sie
sind gut, Rosie, Sie sind wirklich richtig begabt. Es ist fast, als
wären Sie für diesen Job geboren worden. Rob hat Sie entdeckt, aber das gibt ihm nicht für den Rest seines Lebens ein
Recht an Ihrer Person. Lassen Sie nicht zu, daß er Sie zu seinem Eigentum macht.«
»Das würde er nie tun«, sagte Rosie. Sie war ängstlich, aufgeregt und erleichtert, und das alles zur gleichen Zeit.
Außerdem war sie ein wenig wütend auf Rhoda wegen der
zynischen Art, aber diese Empfindungen verschwanden alle
unter einer strahlenden Schicht von Freude und Erleichterung: Sie würde noch eine Weile zurechtkommen. Und wenn
Robbie ihr wirklich einen Vertrag anbot, hatte sie vielleicht für
noch länger ausgesorgt. Für Rhoda Simons war es gut und
schön, Vorsicht zu predigen; Rhoda wohnte nicht in einem
möblierten Zimmer drei Blocks von dem Stadtviertel entfernt, wo man sein Auto nicht am Bordstein parkte, wenn
man sein Radio und seine Radkappen behalten wollte;
Rhoda hatte einen Mann, der Buchhalter war, ein Haus in
einem Vorort und einen silbernen Nissan Baujahr 1994.
Rhoda besaß eine Visa und eine American Express Card.
Noch besser, Rhoda hatte eine Blue Cross Card und Ersparnisse, von denen sie leben konnte, falls sie krank wurde und
nicht mehr arbeiten konnte. Für Leute, die das alles hatten,
überlegte Rosie, war es wahrscheinlich so natürlich wie das
Atmen, in geschäftlichen Dingen zur Vorsicht zu mahnen.
»Vielleicht nicht«, sagte Rhoda, »aber Sie könnten sich als
eine kleine Goldmine erweisen, Rosie, und manchmal verändern sich die Menschen, wenn sie eine Goldmine finden.
Sogar nette Menschen wie Robbie Lefferts.«
Rosie, die ihren Tee trank und zum Fenster hinaussah,
erinnerte sich daran, wie Rhoda die Zigarette unter
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