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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Registrierkasse des Hot Pot
abwandte. Zuerst sah Pam über sie hinweg, ohne sie zu erkennen … und dann drehte sie den Kopf ruckartig zurück und
ihre Augen wurden groß. Pam fing an zu grinsen, und dann kreischte sie wirklich und wahrhaftig und brachte damit vermutlich mindestens ein halbes Dutzend Herzschrittmacher in
dem kleinen Raum gefährlich nahe an den roten Bereich.
    »Rosie? Bist du das? O … mein … Gott!«
»Ich bin es«, sagte Rosie lachend und errötete.
Sie
bemerkte, daß sich Leute zu ihnen umdrehten, und stellte
fest - Wunder über Wunder -, daß es ihr nicht das Geringste
ausmachte.
Sie gingen mit ihrem Tee zu Rosies Tisch am Fenster, und
Rosie ließ sich von Pam sogar zu einem zweiten Stück
Kuchen überreden, obwohl sie fünfzehn Pfund abgenommen hatte, seit sie in die Stadt gekommen war, und keinesfalls wieder zunehmen wollte, wenn sie es vermeiden
konnte.
Pam sagte ihr immer wieder, daß sie es nicht glauben könne, sie könne es einfach nicht glauben, eine Bemerkung,
die Rosie als Schmeichelei abgetan hätte, hätte sie nicht gesehen, wie Pams Blick immer wieder von ihrem Gesicht zu
ihrer Frisur wanderte, als wollte sie sich vergewissern, daß
wirklich alles der Wahrheit entsprach.
»Du siehst damit fünf Jahre jünger aus«, sagte sie. »Verdammt, Rosie, du siehst damit wie ein steiler Zahn aus!«
»Für fünfzig Dollar sollte ich damit wie Marilyn Monroe
aussehen«, antwortete Rosie lächelnd … aber seit ihrer
Unterhaltung mit Rhoda lag ihr die Summe, die sie für die
Frisur ausgegeben hatte, nicht mehr so schwer auf der Seele.
»Woher hast du -« begann Pam, dann brach sie ab. »Es ist
das Bild, das du gekauft hast, richtig? Du hast dir das Haar
machen lassen wie die Frau auf dem Bild.«
Rosie dachte, daß sie daraufhin erröten würde, aber sie
errötete nicht. Sie nickte nur. »Die Frisur hat mir gefallen,
darum dachte ich, ich versuch’s mal.« Sie zögerte. »Und was
die andere Farbe betrifft, ich kann immer noch nicht glauben,
daß ich es gemacht habe. Ich habe mir zum erstenmal in meinem ganzen Leben die Haare färben lassen.«
»Zum ersten -! Das glaub ich dir nicht!«
»Stimmt aber.«
Pam beugte sich über den Tisch und sagte mit einem kehligen, verschwörerischen Flüstern: »Es ist passiert, was?«
»Was meinst du? Was ist passiert?«
»Du hast jemand Interessantes kennengelernt!«
Rosie machte den Mund auf. Machte ihn zu. Machte ihn
wieder auf, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte,
was sie sagen sollte. Wie sich herausstellte, gar nichts. Statt
Worten kam Gelächter heraus. Sie lachte, bis ihr Tränen über
die Wangen liefen, und es dauerte nicht lange, da stimmte
Pam ein.
6
    Rosie brauchte keinen Schlüssel, um die Tür von 897 Trenton
Street zu öffnen - an Wochentagen wurde sie erst gegen acht
Uhr abends abgeschlossen -, aber sie brauchte den kleineren,
damit sie in ihren Briefkasten sehen konnte (R. McCLENDON war auf die Vorderseite aufgeklebt worden und verkündete stolz, daß sie hierher gehörte, ja, allerdings), der leer
war, abgesehen von einem Wurfzettel des Wal-Mart Supermarkts. Als sie die Treppe zum ersten Stock hinaufging,
schüttelte sie einen anderen Schlüssel aus dem Täschchen.
Damit konnte sie die Tür ihrer Wohnung aufschließen, und
außer dem Hausmeister hatte keiner mehr einen. Sie gehörte
ihr - genau wie der Briefkasten. Ihre Füße waren müde - sie
war die ganzen drei Meilen von der Innenstadt zu Fuß
gegangen, da sie sich zu rastlos und glücklich fühlte, in
einem Bus zu sitzen, und außerdem wollte sie mehr Zeit zum
Nachdenken und Träumen, als sie im Bus gehabt hätte. Trotz
der beiden Stücke Kuchen im Hot Pot hatte sie Hunger, aber
das tiefe Knurren ihres Magens trug zu ihrem Glücksgefühl
bei, statt sie davon abzulenken. Hatte sie sich jemals in ihrem
ganzen Leben so glücklich gefühlt? Sie glaubte nicht. Das
Glücksgefühl durchdrang vom Kopf aus ihren ganzen Körper, und obwohl ihre Füße müde waren, fühlten sie sich doch
leicht an. Und ihre Nieren taten kein bißchen weh, trotz des
langen Fußmarschs.
    Als Rosie ihr Zimmer betreten hatte (und diesmal vergaß
sie nicht, die Tür abzuschließen), fing sie wieder an zu
kichern. Pam und ihr jemand Interessantes. Sie war gezwungen gewesen, einiges zuzugeben - schließlich hatte sie vor,
Bill Samstag abend mit zum Konzert der Indigo Girls zu nehmen, und da würden die Frauen von D & S ihn kennenlernen-, aber als sie sich dagegen wehrte, sie hätte ihr Haar nur
Bills wegen gefärbt

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