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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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sie ihre Nonnentracht aus. Nur in ihre seidene Unterwäsche gehüllt, bückte sie sich und breitete das schwarze Gewand auf dem Boden aus. Dann betupfte sie den Stoff mit dem scharf riechenden Ammoniak. Doch anstatt die Farbflecken zu entfernen, bleichte die Lösung das Schwarz aus dem dicken Stoff.
    Sie lehnte sich zurück und betrachtete den Schaden, den sie angerichtet hatte.
    Die Tracht war hoffnungslos ruiniert.
    Voller Bitterkeit musste sie an das herrliche Kleid denken, das sie bei ihrer Ankunft im Kloster getragen hatte. Sie stöpselte die Flasche wieder zu und stellte sie ins Regal zurück. Dann ging sie in die Küche, wo ein Eimer Wasser neben dem Herd stand. In Schleier und Unterwäsche kniete sich Lucrezia hin, tauchte den Lappen in den Eimer und schrubbte wütend an den grünen Farbspritzern und den grauen Flecken herum, wo das Ammoniak den Stoff ausgebleicht hatte.
    Der scharfe Gestank der Lösung machte sie schwindlig. Sie setzte sich auf ihre Hacken und fingerte am Saum ihres Unterhemds herum, wo bis vor kurzem das Medaillon gesteckt hatte, das dort eingenäht gewesen war. Sie wünschte, sie hätte es nicht weggegeben, wünschte, es könnte ihr jetzt Trost spenden. Sie schloss die Augen.
    In diesem Moment ertönte ein lautes, barsches Klopfen an der Tür, dreimal. Bevor sie reagieren konnte, hatte sich die Tür schon geöffnet, und mit einem Windstoß trat der Generalabt ein.
    »Bruder Maler«, rief er mit unüberhörbarem Hohn, »Bruder Maler, ob Ihr wohl ein Rätsel für mich lösen könnt?«
    Lucrezia drückte sich rasch in die schmale Lücke hinter der Küchentür, doch sie war nicht schnell genug.
    »Ist da jemand?«, rief der Generalabt, während draußen sein Pferd wieherte.
    Mit harten Stiefeltritten stapfte er durch die Werkstatt, ohne zu merken, dass er dabei in die Farbe trat. Er würde dem Maler verbieten, die Novizin noch einmal zu malen, und dann würde er direkt zum Kloster gehen und sich diese unverschämte Äbtissin vornehmen, die glaubte, seine ausdrücklichen Anordnungen ignorieren zu können!
    »Bruder Filippo!«, fauchte er.
    Grüne Spuren hinterlassend, näherte er sich der Küche. Als er die zerknitterte, farbverspritzte Nonnentracht auf dem Boden liegen sah, blieb er abrupt stehen. Er blickte sich um. Da erspähte er Lucrezias kleine, bestrumpfte Zehen, die hinter der Tür hervorschauten. Langsam drehte er sich herum. Sein Herz begann wie wild zu klopfen, sein Puls zu rasen. Sein Blick fiel auf die dürftig bekleidete, zierliche Gestalt, die sich hinter der Tür zu verstecken versuchte. Seine Augen krochen über Lucrezias Körper, über ihre seidene Unterwäsche, ihre weißen, zitternden Arme. Er trat näher, versuchte sie beim Handgelenk zu packen. Lucrezia wich zurück.
    »Schwester Lucrezia!« Er blickte sich mit zusammengepressten Lippen in der winzigen Küche um. »Was hast du hier zu suchen?«
    Lucrezia brachte keinen Ton heraus. Ihre Augen tränten von der scharfen Lösung.
    »Wo ist der Mönch? Bist du allein, Schwester Lucrezia?« Der Zorn schwand aus der Miene des Generalabts. Seine Augen begannen zu leuchten: Hier war seine Chance.
    »Du musst dich nicht vor mir verstecken, Kleine«, sagte er begütigend. Er schlang seine langen Finger um ihren Oberarm und zog sie aus ihrer Ecke. »Komm, lass mich sehen, was der Mönch dir angetan hat.«
    »Nein.« Lucrezia formte die Worte, doch kein Laut wollte ihr über die Lippen. Die Augen zu Boden gesenkt, ließ sie sich widerstrebend von dem Geistlichen in die Mitte der Küche ziehen. Dieser hielt sie mit der einen Hand fest und hob mit der anderen ihren Kopf, zwang sie ihn anzusehen. Ihr Herz klopfte wie wild, Panik schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte fortrennen, fort von diesem Mann, doch ihre Glieder wollten ihr nicht gehorchen. Sie war wie gelähmt.
    »Du weißt, wie schön du bist«, flüsterte er.
    Sie musste an Daphne denken, die griechische Maid, die zu einem Baum erstarrt war, damit Apollo sie nicht schänden konnte. Auch Lucrezia stand nun stockstill, wie ein Baum, während der Generalabt mit dem Daumen über ihr Kinn strich. Dann zerrte er ihren Schleier herunter. Eine dicke Strähne ihres goldenen Haars löste sich aus ihrem Haarnetz und fiel seidig auf ihre Schulter. Er befingerte es andächtig.
    »Deine Schönheit ist Teufelswerk«, murmelte er. Mit der einen Hand hielt er sie fest, mit der anderen zeichnete er die Linie ihres Wangenknochens nach, strich über ihr zierliches, rosiges Ohrläppchen, über ihren

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