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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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einer Weile. »Du musst hungrig sein.«
    Beide nahmen eine leichte Mahlzeit, bestehend aus Brot und Käse, zu sich. Rosina schenkte ihnen stark verdünnten Wein ein und räumte auf. Es herrschte verlegene Stille.
    »Wenn sonst nichts mehr ist, Bruder, meine Mutter braucht mich zu Hause«, sagte Rosina, nachdem sie die Teller abgewaschen hatte.
    Lucrezia schaute alarmiert hoch.
    »Ach ja, natürlich.« Fra Filippo stand auf und wischte sich die Krumen von den Händen. »Und ich muss zum Dom, um nachzusehen, wie die Arbeiten dort vorangegangen sind.« Er erinnerte Rosina daran, noch einmal zu überdenken, ob ihr Bruder auch wirklich die Nachricht des Prokurators ins Kloster gebracht hatte.
    »Ja, Bruder Filippo«, antwortete das Mädchen. »Das hat mein Bruder bestimmt gemacht!«
    »Bestimmt, er ist ein guter Junge.« Der Maler trat an ein Regal und fischte in einem Krug herum. Seine Pranke tauchte mit einer Silbermünze wieder auf, die er Rosina in die Hand drückte. »Für deine Mutter. Bring ihr etwas vom Markt mit.«
    »Vielen Dank.« Das Mädchen drückte seine Hand an ihre Wange, knickste vor Lucrezia und verschwand.
    Es war noch früh am Nachmittag. In der Tür zum Vorraum drehte sich Fra Filippo verlegen noch einmal zu Lucrezia um.
    »Ich werde bis zum Dunkelwerden in der Kapelle arbeiten«, verkündete er steif. »Tu, was dir beliebt. Wie gesagt, ich werde nicht vor Einbruch der Dämmerung zurück sein. Bis dahin wird Spinetta längst da sein.«
    Nachdem er fort war, schaute sich Lucrezia erst einmal in seiner Werkstatt um. Sie hob den Zipfel eines Tuchs und erblickte darunter eine Pietà, das Gesicht der Madonna grau und angespannt. Ein anderes Tuch enthüllte, als sie es wegzog, ein großes Holzbrett mit dem Porträt eines Mönchs mit einem Heiligenschein. Beschämt darüber, dass sie nicht gleich auf dessen Identität kam, deckte sie das Bild wieder zu. Sie nahm einen Stapel Pergamente zur Hand. Als sie sie umdrehte, sah sie, dass dies alles Skizzen von ihr selbst, von ihrem Gesicht waren, von ihren Wangen, ihren Augen. Doch der Mönch hatte etwas damit gemacht: Sie sah darauf ganz anders aus, heilig, vergeistigt.
    Sie sah aus wie die Madonna, die Heilige Muttergottes.
    Spinetta hatte behauptet, dass die Ähnlichkeit verblüffend sei, was Lucrezia kaum glauben konnte. Sie hatte in Florenz zwar viele schöne Kleider getragen, aber erst hier, in Prato, hatte man ihr gesagt, wie schön sie sei. Sie fragte sich unwillkürlich, ob sie jetzt wohl anders aussah. Rasch überflog sie den unordentlichen Arbeitstisch des Mönchs. Er hatte doch sicher irgendwo etwas, worin sie sich ansehen konnte, eine spiegelnde Oberfläche? Ihre Hände flogen über Flaschen und Phiolen. Der Mönch war ein ziemlich unordentlicher Mann, und der Tisch war ein einziges Durcheinander aus Werkzeugen und Farben.
    Sie beugte sich über den wuchtigen Tisch und streckte den Arm aus. Dort hinten, da stand ein Kanister, der ihr als Spiegel dienen konnte. Sie streckte sich und wollte nach dem Behältnis greifen, da blieb ihr Ärmel an ein paar Pinseln hängen, und sie stieß einen Farbkrug um.
    Lucrezia stieß einen Schreckensschrei aus und riss den Arm zurück. Dabei stieß sie einen weiteren Behälter an, der auf einen dritten kippte.
    Sie sprang zurück, aber es war zu spät. Ihre schwarze Tracht war von der Taille bis zu den Knien mit einer ekelerregenden, nach faulen Eiern riechenden Farbe besudelt.
    Lucrezia griff hastig nach einem Lappen, doch ihre Bemühungen machten alles nur noch schlimmer. Sie versuchte es mit Wasser, aber das perlte an dem öligen Verdaccio ab. Zitrone half auch nicht, und als sie es mit Weinessig probierte, wurde aus dem leuchtenden Grün ein braunlila Fleck, wie bei einem alten Bluterguss.
    Als klar wurde, dass sich so die dicke Farbe nicht entfernen ließ, dachte Lucrezia an die kleine Alchemiestunde, die ihr der Mönch an ihrem ersten Tag in der Werkstatt erteilt hatte. Sie bückte sich und suchte das untere Regalbrett ab, wo er, wie sie wusste, die Flasche mit Ammoniak aufbewahrte. Sie erinnerte sich, dass er damit seine Pinsel auswusch, und hoffte, dass sie damit auch die schrecklichen Flecken aus ihrem Gewand entfernen könnte.
    Kurz darauf hatte sie gefunden, was sie suchte.
    Vorsichtig zog sie den Glasstöpsel aus der Flasche. Sie zuckte angeekelt zurück, als der scharfe Geruch der Lösung in ihre Nase stieg. Nachdem sie sich mit einem raschen Blick davon überzeugt hatte, dass sie wirklich allein war, zog

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