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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Diskussion zieht sich in die Länge. Mittlerweile bin ich als einziger für Spiele leben und als einziger gegen Operation Spring . Frau N.s Argument ist immer dasselbe:
    »Es ist wichtig, ein politisches Zeichen zu setzen.«
    »Ist es wirklich wichtig?«
    »Ja natürlich!« ruft Frau N.
    »Ist es nicht auch eine politische Aussage, einen künstlerischen Film zu prämieren und ihn einem schlecht gemachten Dokumentarfilm vorzuziehen?«
    Die Filmkritikerin wird energisch: »Aber wir können hier ein Zeichen setzen!«
    Ich kann ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen, ich rede ja vermutlich selbst Blödsinn. Aber immerhin ahne ich es. Und jetzt wird mir endlich klar, warum ich mich schon die ganze Zeit über so unwohl fühle. Nicht weil sie andere Meinungen haben als ich, nicht weil sie einen schlechten Film auszeichnen wollen, nicht weil sie eitel sind. Mich stört, daß sie auf alles eine Antwort haben, prompt und ohne Zögern. Sie sind sich ihrer Meinungen so sicher.
    Frau N. fragt wieder, ob man hier rauchen darf. Und wieder antwortet niemand.
    Wir verlegen die Zusammenkunft in die Halle. Eine Entscheidung muß bald fallen, weil die Filmkritikerin der Oberösterreichischen Nachrichten noch heim nach Linz muß und den Zug nicht versäumen darf. Frau N. sagt, sie hat Kopfweh, und will deshalb einen Whisky. Sie studiert die Getränkekarte, dann bestellt sie Wasser, denn der Whisky kostet 14 €. Ich bestelle mir Wein, viel Wein. Die Diskussion beginnt von neuem. Eigentlich ist es keine Diskussion, jemand sagt müde einen Satz, dann blicken mich alle flehend an. Nach dem dritten Glas ist es mir zu blöd, und ich willige ein. Allgemeines Aufatmen. Herr Kaindlgruber wird beauftragt, die Laudatio zu verfassen.
    »Da sollten wir unsere Bedenken hinsichtlich der Qualität des Films erwähnen!« fordert der Kinobesitzer.
    »Gute Idee«, sagt Herr Kaindlgruber. »Etwas wie: Die politisch-moralische Botschaft des Films ist brisant, die Umsetzung hält nicht Schritt… Jury hat es sich nicht leicht… Zeichen setzen…«
    Ich blende mich aus dem Gespräch aus. Mittlerweile geht es mir recht gut, und ich kichere vor mich hin. Gerade als ich gehen will, kommt Hans Hurch, der Viennale-Direktor, vorbei.
    »Wie ist es gelaufen?« fragt er Frau N. »So wie du grinst, hast du dich durchgesetzt.«
    Frau N. setzt sich zurecht, sie lächelt breit, ihre Augen funkeln. »Ein wichtiger Film.«
    »Welcher?«
    » Operation Spring .«
    Hurch wischt sich den Bart. »Gute Wahl. Sehr gute Wahl.«
    Die Filmkritikerin verabschiedet sich. Ich winke dem Kellner, aber der übersieht mich. Kaindlgruber fragt mich nach Daniel. Ich schwärme von seinem neuen Roman. Frau N. mischt sich ein, sie liest ihn gerade, große Literatur ist das nicht, große Literatur ist Spieltrieb von Juli Zeh. Aber es ist schon recht ordentlich. Daniel kann eben nicht über Emotionales schreiben. Weil er, sie kennt ihn nämlich persönlich, und das sogar ganz gut, selbst ein Mensch ist, der zu seinen Emotionen nicht steht oder sie unterdrückt oder ähnliches, den genauen Wortlaut höre ich nicht mehr, weil ich mich darauf konzentrieren muß, meine Mimik zu kontrollieren.
    Im Taxi sende ich Daniel ein SMS : Habe mit der Jury über dein Buch gesprochen . Frau N. findet, du bist emotional gehandicapt .
    Ring-ring.
    Gespräch mit Daniel während der Taxifahrt, große Heiterkeit.
    Mir ist noch nicht nach Heimkehr und Bett. Ich gehe ins a² , das Lokal bei mir an der Ecke, fühle mich schon beim Eintreten erleichtert. Die Kellnerin fragt mich, ob ich an der Theke stehenbleibe. In diesem Moment erspähe ich einen meiner neuen Nachbarn aus dem Haus allein an einem der Tische. Mir fällt sogar sein Name ein: Marvin. Ich frage, ob er etwas dagegen hat, und setze mich. Begeistert schlage ich ihm auf die Schulter, ich freue mich wirklich, ihn zu sehen, obwohl ich noch nie mehr als zwei Sätze mit ihm gewechselt habe. Aber er ist etwa in meinem Alter, er hat wie ich Frau und Kind, und ich sehe ihn immer wieder mal allein und offensichtlich erschöpft im Lokal sitzen. Es ist Zeit, daß wir mal zusammen trinken. Denke ich, und bestelle Wein.
    »Na, wie läuft es mit der Tochter?«
    »Zur Zeit… etwas anstrengend… Ich –«
    »Wem sagst du das? Stanislaus ist elf Monate älter! Oh oh, und was noch auf dich zukommt, hehe!«
    Freimütig offenbare ich ihm, es werde noch schlimmer, die schlimmste Zeit stehe ihnen erst bevor. Meine Behauptung belege ich mit Beispielen. Ich bestelle noch ein

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