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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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verhindern, daß es eintritt.« Ich kann ihn auswendig, und ich denke oft an ihn.
    Beim Kaffee sehe ich die Post durch. Ein Packen Fotos ist darunter, die Isolde Ohlbaum vor ein paar Wochen von mir in München gemacht hat. Entsetzt starre ich auf die Bilder. Ich im Regen. Mit Schirm, ohne Schirm. Ausgerechnet heute müssen sie kommen. Ein letzter Gruß, das, was übrigbleibt. What you leave behind : der Titel der letzten Folge von Deep Space 9. Ich wollte seit Jahren ein Buch so nennen. Das, was du zurückläßt. Else wird sagen: Und genau an dem Morgen sind die Bilder gekommen. Als ich die Nachricht gehört habe, lagen die Fotos vor mir. Ich habe sein Gesicht gesehen und gedacht…
    Gegen das T-Shirt und das Badetuch konnte ich etwas unternehmen. Die Fotos kann ich nicht schlagen. Die sind gekommen, und ich kann sie nicht abwehren.
    Beim Abschied stehen Else und ich herum, offenbar weiß auch sie nicht recht, was sie sagen soll. Ich muß unentwegt schlucken, Stanislaus hängt sich an mein Hosenbein, ich hebe ihn hoch und gebe ihm einen Kuß. Er sagt: »Auf Wiedersehen, Papi!«
    Im letzten Moment kommt mir der richtige Gedanke. Ich gehe noch mal in die Küche und stecke die Fotos ein. Wenn sie bei mir sind, kann Else sie nicht gesehen haben, als die Nachricht usw…, also besteht Hoffnung, daß die Nachricht überhaupt nicht kommt, weil ich ja die Fotos bei mir habe.
    Auf dem Weg zum CAT , dem City Airport Train, bekomme ich Bauchweh. Was, wenn das so weitergeht? Im Seminar kann ich das nicht brauchen, und im Flugzeug schon gar nicht.
    In der Apotheke kaufe ich eine Schachtel Kohletabletten, im Zeitschriftenladen daneben die Presse . Heute sind die ersten Seiten von Die Arbeit der Nacht vorabgedruckt. Mit einem Foto von mir. Aber dieses Bild ist etwas anderes, das nehme ich positiv. Heute, an dem Tag, an dem ich fliege, wird mein Roman erstmals von vielen Menschen gelesen, das ist ein gutes Omen, jedenfalls für den Roman. Abstürzen sollte ich allerdings nicht, das wäre auch für den Roman ein schlechtes Vorzeichen.
    Ich habe nicht das Gefühl, es sei mein letzter Tag. Aber welche Gewähr bietet dieses Gefühl? Ich bin nicht Winnetou, ich ahne nicht. Oder wenn, vielleicht falsch.
    Am Flughafen. Gut sieht keiner aus. Mike, mit dem ich mich an den vergangenen Tagen ab und zu ausgetauscht habe, erzählt mir, er sei seit halb fünf wach. Der Mann, den wir den Mönch nennen, hat seine Selbstsicherheit verloren, er tritt von einem Fuß auf den anderen und redet nichts. Überhaupt gibt es plötzlich kaum noch Kommunikation, alle sind mit sich selbst beschäftigt. Der Blonde mit dem Silberblick, der immer die Fäuste ballt, in dessen Gesicht es zuckt und der aussieht, als würde er uns alle töten wollen, uns, weil niemand anderer da ist, er würde jeden nehmen, dieser Mann macht einen so bedrohlichen Eindruck von Grenzgang und Überforderung, er strahlt etwas so Zerrüttetes, Krankes, Verschobenes und Wildes aus, daß ich gar nicht mehr wegschauen kann und sogar meine Angst vergesse. Dieser Mensch ist so offenkundig gestört, richtig und wirklich gestört, mir ist es ein Rätsel, wie er in der Gesellschaft bis jetzt funktionieren konnte.
    Wir steigen in ein im Hangar stehendes Flugzeug. Zur Ansicht, zur Vorbereitung, es ist nicht das, mit dem wir fliegen. Ein Airbus 330. Die Angst kommt wieder, aber mein Gehirn spielt allmählich nicht mehr mit. Es weigert sich, dauernd Angst zu haben, und so marschiere ich recht teilnahmslos, ja benommen durch die Maschine. Die Männer lassen sich im Cockpit die Technik erklären. Mich interessiert das kein bißchen, ich bleibe hinten in der Business-Class bei den Frauen. Eine dicke alte Spanierin hat ihr Namensschild so an ihrer Bluse befestigt, daß sein Gewicht diese hinunterzieht, ich weiß gar nicht, wo ich hinschauen soll vor lauter Dekolleté.
    Ich höre mich ein wenig um. Eine Frau hat das Seminar von ihren Kindern zum Geburtstag geschenkt bekommen, eine andere will ihren Sohn, der nach London gezogen ist, regelmäßig besuchen können, eine dritte ist einfach nur neugierig. Ich rede mit diesen Menschen, mit denen mich nichts verbindet, und habe dabei ständig eine Frage im Kopf: Sind das Menschen, die bei einem Flugzeugunglück ums Leben kommen werden?
    Mittags kommt ein SMS von Daniel: Hab keine Angst, es ist wie Busfahren.
    Schon wieder dieser Busvergleich. Ich finde das ja nett, aber gleichzeitig weiß ich, daß Fliegen eben nicht wie Busfahren ist, denn sonst würden

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