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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Galatasaray- SMS . Jetzt ruft er also an. Mein Herz schlägt schneller, erst will ich ihn abweisen, aber dann hebe ich doch ab, das Weglaufen und Nichtkonfrontieren muß ein Ende haben.
    »Hallo, hier Klaus«, höre ich.
    Und brauche ein paar Sekunden, bis ich kapiere, daß ich mit dem Mitarbeiter der Wiener Village Voice rede.
    Mit weniger als einem halben Ohr höre ich zu. Er will einen Text von mir. In meinem Kopf arbeitet es. Wieso bitte hat mir der Mitarbeiter der Wiener Village Voice ein ausländerfeindliches SMS geschickt? Der ist doch alles, nur kein Nazi. Ich kontrolliere die Nummer, sie stimmt.
    »Klaus, wir müssen reden.«
    Ich erzähle ihm die Geschichte. Als er hört, ich hätte ihn für einen mich verfolgenden Nazi gehalten, ist er betroffen. Galatasaray sei ein kreativer Witz gewesen, er habe sich dabei nichts gedacht.
    »Du hast doch meine Nummer, du weißt doch, daß ich das bin«, sagt er. Ich muß ihm erklären, daß ich damals bei Heidis Party in einem Anfall von Literaturbetriebswiderwillen auch seine Nummer gelöscht habe. Komme mir ziemlich blöd vor.
    Die Zettel vom Vorabend, wo? Ich finde sie neben dem Laptop. Dadurch erinnere ich mich, daß ich nach dem Nachhausekommen noch »Gedichte« geschrieben habe. Ich lösche sie, ohne sie anzusehen, dann lese ich die Notizen, vielleicht ist etwas Brauchbares dabei.
    »Wo Handy gekauft? Nicht verdächtigen, aber gestohlen.«
    »Glavinic der bessere…«
    »Länger nicht schreiben ist wie länger keinen Sex haben.«
    »Ein Schriftsteller ist ein Soldat!«
    »Durch Schach habe ich«
    »Steirische Landesausstellung 1984«
    »Vater Kohl Daniel«
    »Egal, wo Menschen zusammenkommen (Film etc.) – sie schlafen miteinander«
    »Story: Homophiler, politisch korrekter Typ schlichtet Streit (verteidigt Schwule), wird zus.geschlagen, von 2 Schwulen mitgenommen, helfen verarzten ihn, Pflege ihre Wohnung, dann ihn festgebunden und in den A. gef.«
    »Mit einem (unleserlich) Pluto (?) ausschalten«
    »dünne Frauen Heuschrecken«
    »(unleserlich) aus unserer Mitte«
    »(unleserlich) Motiv Herz – Narr – (unleserlich) – N:V:T«
    (plus sechs nicht mehr entzifferbare Notizen)
    Einiges ist selbsterklärend, einiges rätselhaft, schade, daß ich so viel nicht lesen kann. Vielleicht war etwas Brauchbares dabei, wenngleich der Anschein nicht dafür spricht. Die »Story« werde ich jedenfalls nicht schreiben. Was einem alles einfällt. Und was ist mit Daniel oder Daniels Vater oder Kohl? Helmut Kohl?
    Ich rufe Daniel an, vielleicht kann er sich die Sache erklären. Er ist gerade in New York, bei ihm ist es früh am Morgen, trotzdem hebt er gleich ab. Er kann mir auch nicht helfen, er hat vor dreißig Stunden eine Ecstasy-Tablette geschluckt und ist nicht recht zugänglich. Ich nehme mir vor, ihn in zehn Stunden noch einmal anzurufen.
    Wenigstens weiß ich, was es mit der Handysache und mit der Steirischen Landesausstellung auf sich hat. Zu Beginn des Abends sprach mich eine Frau neben mir an der Theke an: »Entschuldigen Sie, wo haben Sie Ihr Handy gekauft, das da liegt? Ich will Sie ja nicht verdächtigen, aber mir wurde vorige Woche meines gestohlen, und das war genau so eines.«
    Und Steirische Landesausstellung 1984: das ist interessant. Wie bin ich darauf gekommen?
    Welches Thema die Steirische Landesausstellung damals hatte, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur, daß wir alle so um die zwölf Jahre alt waren, als unsere Schulklasse eingeladen wurde, einen Raum der Landesausstellung in der weststeirischen Kleinstadt Stainz zu gestalten. Jeder malte ein Bild, das sich auf das Thema bezog. Als die Ausstellung eröffnet wurde, waren wir eingeladen, Anzug, weißes Hemd, Scheitel, Eltern usw.
    Und dann kamen wir in den Raum, in dem unsere Bilder hingen, und dann suchten vierunddreißig Schülerinnen und Schüler ihr Bild, und dann merkten sie, daß nur dreiunddreißig Bilder da hingen, und dann merkte ich, daß ich der war, dessen Bild fehlte, und dann erfuhr ich, daß meines wegen seiner niederschmetternden Qualität nicht akzeptiert worden war.
    Zeichnerisch war ich immer schon ohne jedes Talent, ein Vierjähriger zeichnet besser als ich, ein Handloser, und vermutlich sogar ein handloser Vierjähriger. Ich kann wirklich nicht zeichnen, deshalb erfreuen sich auch Karikaturen von meiner Hand bei meinen Freunden keiner großen Beliebtheit, was ich sehr betrüblich finde.
    Am Nachmittag gehe ich zum Inder. Beim Zahlen bekomme ich einen Lolly für Stanislaus, das hat

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