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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Naschmarkt. Im Gastgarten eines chinesischen Lokals ist jemand kollabiert. Ich weiß ja, warum ich nur zum Inder gehe. Ich bleibe stehen, bis ich sicher bin, daß genug Leute sich um den jungen Mann kümmern. Hinter ihm steht ein fetter Chinese mit besorgter Miene, dabei schleift er ein riesiges Küchenmesser.
    Die ORF -Redakteurin, die mich bei Umar vor der Kamera zu Peter Handke und Serbien befragen will, ist ein wenig älter als ich und wirkt nett. Umar, der Wirt, erlaubt uns, an einem seiner Tische draußen zu drehen, und wir fangen gleich an. Es geht nicht nur um Handke, es geht darum, ob Autoren sich politisch äußern sollen. Eigentlich habe ich zur Sache nicht viel zu sagen, ich finde, Autoren sollen gute Bücher schreiben, und Politik ist mir ziemlich egal. Ich sage das auch.
    Ringsum stehen ungefähr zwanzig ältere Leute, die Wurstsemmeln und Leberkäse essen und mich dabei anstarren. Ein alter Mann wankt sogar in einer kurzen Pause zu uns und fragt: Ist das für Willkommen Österreich? Die Redakteurin fertigt ihn ab: Nein, wir drehen ein Interview mit Herrn Glawienitsch für Treffpunkt Kultur. Das alles macht mich ein wenig unkonzentriert, vor allem die schmausenden alten Frauen, und ich sondere nicht viel Geistreiches ab. Fast bereue ich, zugesagt zu haben. Aber wie meint Gore Vidal? Zwei Dinge darf ein Schriftsteller nicht ablehnen: eine Einladung ins Fernsehen und eine Möglichkeit zum Sex.
    Ich kriege erstere übrigens häufiger. Ist auch gut so. Ich würde, gäbe es Else und unsere Vorstellungen von Treue nicht, mit fast jeder willigen Frau ins Bett gehen, einfach weil ich so neugierig auf Menschen bin.
    Am Nachmittag sitze ich im Arbeitszimmer und telefoniere mit Daniel. Wir diskutieren das Problem, für 650.000 verkaufte Exemplare Steuern zu zahlen, als Else hereinstürzt und ruft: »Leg auf, wir müssen ins Krankenhaus fahren! Stanislaus hat sich das Ohr aufgeschlitzt!«
    Hinter ihr steht mein brüllender Sohn. Blut rinnt ihm vom Ohr auf das T-Shirt, auf den Boden, er weint und schreit. Ich werfe Daniel aus der Leitung und wähle den Notruf. Zu meiner Überraschung geht jemand ran. Er will vor allen Dingen wissen, wo genau der Notfall ist. Ich sage es ihm, dann bitte ich ihn, uns einen Krankenwagen für Stanislaus zu schicken. Ich erwarte, er wird uns raten, für so etwas ein Taxi zu nehmen, aber er: In fünf Minuten ist der Wagen da.
    Ich trage Stanislaus herum, er weint und schreit, mir tropft sein Blut über den Hals und auf das Hemd. Bruchstückhaft kann mir Else erzählen, was geschehen ist, er ist auf die Kante des Couchtisches gestürzt. Wir verständigen uns: ist mehr passiert? Was ist mit dem Kopf, wie heftig war der Anprall? Bewußtlos war er nicht, also keine Gehirnerschütterung. Aber wie kann so etwas passieren? Beim bloßen Umfallen?
    Ich betrachte die blutige Wunde. Es klafft ein riesiges Loch in seinem Ohr, es sieht aus, als hätte ein Hund ein Stück herausgebissen, auch der Knorpel ist durchtrennt. Mir wird ein wenig anders, doch ich muß annehmen, dies ist kein geeigneter Zeitpunkt, Hypochondrie und Hysterie zu pflegen. Ich trage meinen Sohn herum, bis der Krankenwagen da ist. Wir gehen hinunter, es schüttet, wir laufen zum Wagen. Es darf nur eine Person mitfahren, Else fährt.
    Ich gehe hinauf, um den Autoschlüssel zu holen. Meine Hände zittern, ich knacke mir ein Bier auf und trinke es leer, ohne abzusetzen. Eine Minute sammle ich mich, dann gehe ich hinunter und steige in den Mitsubishi. Ich vergesse das Hemd zu wechseln, ich sehe ziemlich wüst aus, was ich erst auf Höhe des Westbahnhofs merke, also zu spät.
    Das AKH ist riesig, aber gut ausgeschildert, und so habe ich keine Schwierigkeiten, die Ambulanz für die Frischverletzten zu finden, wohin mich Else per SMS bestellt hat. Schon von weitem sehe ich Stanislaus herumlaufen, er grinst, das hebt mein Herz. Schon vorbei? denke ich. Das ging ja schnell.
    Er läuft mir entgegen, ruft »Hallo Papiiii!«, stürzt sich lachend auf mich, und erst als ich ihn hochhebe, sehe ich das nach wie vor klaffende Loch in seinem Ohr. Wenigstens hat es aufgehört zu bluten.
    Ich mache Druck bei einer gelangweilten Schwester hinter dem Schalter, und wir dürfen in den Ambulanzraum eintreten. Die Ärzte schicken uns gleich zum Röntgen. Ohne Nähen wird es nicht abgehen, meinen sie, Kleben hilft da nichts mehr.
    »Und was wird er dazu sagen?« frage ich.
    Der Arzt legt den Kopf schief. »Wir werden es mit Lokalanästhesie versuchen.«
    Der

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