Das bisschen Haushalt
bringen. Zum Schluss zwänge ich die Kinderfüße in die Skates, schließe die Schnallen und setze meinen beiden Inliner-Helden die Helme auf. Paul und Rebecca sehen jetzt aus wie Kampfschildkröten. Einzig ein vollautomatisches Lasergewehr fehlt noch! Carola begutachtet ihren Nachwuchs: „Toll, wie richtige Profiskater!“, muntert sie die beiden auf, die nicht allzu glücklich mit ihrer Schutzausrüstung zu sein scheinen.
Nun werfe auch ich mich - im wahrsten Sinn des Wortes -in Schale. Carola tut dies ebenfalls. Als sie fertig ist, verlangt sie eine wahrheitsgemäße Meinung betreffend ihr Äußeres. Auf solche Fragen kann man als Mann nur falsch antworten. Sagt man: „Schatz, du siehst bezaubernd aus!“, glaubt sie dir das ohnehin nicht. Antwortet man aber: „Ähmm, ja, ich finde du siehst aus wie eine Wassermelone!“, dann ist sie beleidigt. Also Mittelweg: „Nun, deine tolle Figur kommt jetzt zwar nicht mehr so richtig zur Geltung. Aber die Hauptsache ist ja, dass dir nichts passiert.“ Das stimmt sie friedlich.
Ich schaue auf die Uhr: Fürs Anziehen haben wir geschlagene siebenundzwanzig Minuten benötigt. Früher sind wir einfach Rollschuh gelaufen, da gab es keinen Helm und dieses andere Gedöns. So eine Schürfwunde hat einen ja nicht umgebracht. Aber besorgte Eltern müssen heute ihre zerbrechlichen Kinder vor allen Gefahren schützen und die Industrie will schließlich auch was verdienen. Wollen wir doch mal testen, ob die Sicherheitsausrüstung auch tatsächlich hält, was sie verspricht.
Wir staksen los. Rebecca schafft es keinen halben Meter weit und fliegt auf den Po. Dummerweise gibt es für diesen Körperteil keinen geeigneten Schutz. Zum Glück jedoch ist die Fallhöhe ge-ring, sodass sie sich ohne größeres Wehgeschrei wieder aufrichtet. Besser gesagt: aufzurichten versucht, denn sie hat ja keinen festen Halt. Also kommen Carola und ich zur Hilfe: Die eine hakt sie links unter, der andere rechts. Auf diese Weise bewegen wir uns nun weiter fort, bis wir in der Mitte des Hofes angelangt sind. Bei Paul klappt es schon wesentlich besser; er kommt vergleichsweise elegant voran und ist wie immer der Erste.
„Leute, ich erklär’ euch jetzt mal, wie das geht!“, verkünde ich souverän und beginne mit dem Theorieteil. „Ihr müsst immer nur die Füße abwechselnd von innen nach außen bewegen, wie ein V. Den Oberkörper etwas nach vorn beugen und mit den Armen das Gleichgewicht halten. Habt ihr das verstanden?“ Paul und Rebecca gucken etwas irritiert, aber sie nicken. „O. k., dann mache ich das nun vor. Passt gut auf!“ Elegant schwinge ich mich auf, strecke den rechten Fuß nach vorn, ziehe den linken nach, rechts, links, rechts, links. Ich gewinne an Tempo und Selbstbewusstsein. Ich werde immer schneller und fühle mich völlig befreit. Bis mir einfällt, dass ich gar nicht weiß, wie man mit den Inlinern bremst. Mist, da vorn ist der Pausenhof schon zu Ende. Ich verringere das Tempo und verlagere mein Gewicht nach links, was mich jedoch nicht um die Kurve, sondern nur ins Straucheln und schließlich zu Fall bringt. Applaus erreicht mein Ohr. Meine Familie klatscht Beifall. Wie nett!
„Sportskanone, das sah jetzt ein bisschen anders aus als bei Starlight Express“, kommentiert Carola meine Fahrkünste. „Wassermelone“, entfährt mir als Antwort. „Dann zeig’ du doch mal, wie’s besser geht“, fordere ich sie auf. Tatsächlich: Bei Carola sieht es zugegebenermaßen professioneller aus. Aber das sage ich ihr natürlich nicht. Wahrscheinlich liegt das nur daran, weil sie früher mal rhythmische Sportgymnastik gemacht hat.
Nun ist Paul an der Reihe. Auch er hat sofort den Dreh raus. Fehlt noch Rebecca. Man merkt gleich: Sie fühlt sich unsicher auf den Skates. Sie macht nicht die von mir so meisterhaft vorgeführten Bewegungen nach, sondern läuft einfach, was natürlich reichlich stümperhaft aussieht. „Fröschlein, so kommst du nicht voran. Das ist nicht Sinn der Sache. Du musst dich richtig abstoßen, damit du in Schwung kommst“, erkläre ich ihr. Sie probiert’s erneut. Doch auch diesmal endet die Fahrt mit einem Sturz. „Papa, ich kann das nicht“, gibt sie resigniert von sich. „Natürlich kannst du das!“, ermuntere ich sie. Doch auch die nächsten Versuche enden spätestens nach zwei Metern. Jetzt verstehe ich auch, warum der Verkäufer uns fragte, ob wir ihr wirklich schon Inliner kaufen oder nicht doch besser ein, zwei Jahre mit der Anschaffung warten
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