Das bisschen Haushalt
ich nur noch am Rande mit. Ich habe mich in die Puppenecke zurückgezogen und es mir auf einem Kuschelkissen bequem gemacht. Meinem Rücken geht es jetzt besser. Ich denke an eine Flasche Rotwein und stelle mir vor, wie ich mich auf dem Sofa genüsslich strecke. Plötzlich ver-nehme ich eine Stimme: „Mensch, wach’ auf - wir sind fertig!“ Es ist Klaus, Vater von Rebeccas Freundin Sophia. Um 01:36 Uhr wanke ich schlaftrunken dem Ausgang entgegen.
Dienstag, 8. Juli
Bin heute Morgen schlecht aus dem Bett gekommen - ob’s am späten Nachhausekommen oder am regnerischen Wetter lag, weiß ich nicht. Im Laufe des Vormittags gewinne ich jedoch allmählich meine Lebenskräfte zurück. Nachdem kein dringender Kundenauftrag ansteht, habe ich Zeit, mich wieder meinem 10-Punkte-Plan zu widmen: Welche Aufgabe soll ich als Nächstes angehen? Ich muss nicht lange nachdenken. Schon seit Monaten, was sage ich, seit Jahren, sind mir die chaotischen Kinderzimmer ein Dorn im Auge. Da fehlt jegliches System. Unaufhörlich kommen anlässlich von Geburtstag, Ostern, Weihnachten, Zahnfeeüberraschungen, Bekanntenbesuchen und Stippvisiten in Fastfood-Restaurants neue Spielsachen hinzu. Ein steter Geschenkestrom fließt und ergießt sich in die Zimmer von Paul und Rebecca.
Aber nichts wird entsorgt. Nie verlässt auch nur ein Spielzeug diese Zimmer. Sie haben nur einen Zu-, aber keinen Abfluss. Alles bleibt. Logische Konsequenz: Schubladen, Schränke und Regale sind zum Bersten gefüllt, der Boden ist mit einer zwanzig Zentimeter hohen Spielzeugschicht bedeckt und nicht mehr erkennbar. Mit anderen Worten: Es ist höchste Zeit, endlich den Stöpsel zu ziehen! Für solche Problemfälle hat die Managementlehre ein probates Werkzeug entwickelt: Die Entrümpelung mit der 4-Felder-Methode. Ich passe die Begrifflichkeiten der Situation an und erstelle eine einfache Zeichnung. Auf diese Weise werde ich heute Nachmittag Paul und Rebecca die Methode erklären.
Danach fahre ich zum Supermarkt, erstehe dort zwei 20er-Rol-len hochreißfeste Müllsäcke und packe so viele Bananenkartons in den Kofferraum, wie dieser fassen kann. Wieder zu Hause stelle ich bereit:
• Haushaltsleiter
• Schaufel & Besen
• Staubsauger mit Aufsatzdüsen
• Putzeimer
• Putzlappen
• Neutralreiniger
• Geschirrtücher
„Daddy, was sollen die ganzen Putzsachen vor unseren Zimmern?“, will Rebecca wissen, als wir die Treppe hochkommen. „Kinder, habt ihr schon mal was von Feng-Shui gehört?“, frage ich die beiden. „Hä?“ „Also, das ist die taoistische Kunst vom Leben in Harmonie mit der Umgebung“, erkläre ich. „Hä?“ „Gut, nochmals: Das ist eine uralte chinesische Wissenschaft.
Nach der Feng-Shui-Theorie fühlt man sich zu Hause wohler, wenn man seinen Lebensraum ordentlich, sauber und übersichtlich hält.“ Paul und Rebecca starren mich an, als ob ich etwas von der suprafluiden Phase oder vom mesomorphen Zustand der Materie erzählt hätte. Erneuter Anlauf: „Wir räumen heute eure Kinderzimmer auf, damit ihr mehr Platz zum Spielen habt.“ Das haben sie zwar inhaltlich verstanden, können es aber nicht nachvollziehen.
„Null Problem, Dad! Der Platz langt ganz easy zum Spielen“, versucht Paul, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Auch Rebecca sieht keine Notwendigkeit, ihr Zimmer aufzuräumen: „Paps, das ist schon o. k. so. Wenn ich Platz brauche, schiebe ich einfach ein paar Sachen zur Seite. Mach’ dich da mal ganz locker.“
Mache ich aber nicht. Die nächste Viertelstunde verbringen wir mit einer Grundsatzdiskussion über das Thema „Ordentlichkeit und System.“ Ich referiere über das japanische 5-S-Mo-dell, nach dem der Arbeitsplatz - um nichts anderes handelt es sich ja bei einem Kinderzimmer - stets in einwandfreiem Zustand zu sein habe. Ich zähle die Vorzüge eines geordneten Zimmers auf (schnelleres Auffinden von Gegenständen, leichteres Putzen), weise darauf hin, dass weniger Verluste zu erwarten wären, weil man nicht aus Versehen auf eine Legokonstruktion treten und so wichtige Bauteile zerstören könne und lasse nicht unerwähnt, dass mir aufgeräumte Zimmer eine Verlängerung der heutigen Bettgehzeit um zwanzig Minuten Wert wären. Das letzte Argument sticht.
Ich ziehe meine graue Jogginghose und einen alten Pullover an. Auch den Kindern verpasse ich Aufräumkleider. Dann geht’s zur Sache. Ich schiebe mit einem Besen - eigentlich wollte ich ja die
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