Das bisschen Haushalt
vor drei Jahren zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Diverse Begleitrhythmen lassen sich da einstellen. Rebecca entscheidet sich für „Jingle Bells“ und haut völlig erratisch in die Tasten. Das Konzert der beiden ist eine einzige Kakofonie - mein Trommelfell vibriert wie ein Trampolin. „Schluss. Bitte, bitte, seid leise. Das kann ja kein Mensch mit anhören.“ Meine Worte verhallen ungehört in den endlosen Weiten des Universums - der Lautstärkeregler des Keyboards ist bis zum Anschlag aufgedreht und Paul bearbeitet die Gitarre wie einen Amboss. Ich erhebe mich vom Sofa, ergreife mit der einen Hand den Gitarrenhals und schalte mit der anderen das Keyboard aus. „Oh Papa, was soll’n das? Wir waren gerade richtig in Fahrt!“, beschwert sich Paul. „Ja, das hat man gehört, dass ihr in Fahrt wart. Aber ich muss dir ehrlich sagen, dass euer Geklimper nicht das Geringste mit Musik zu tun hat. Zu einem Weihnachtslied passt eure Improvisation genauso wie Meerrettich auf Streuselkuchen!“ Rebecca versteht das nicht: „Dad, ich fand das sehr molodisch.“ „Schatz, es heißt melodisch. Und es war wirklich schrecklich.“
„Spielverderber!“, brüllt Paul, pfeffert die von mir als Ersatz hingehaltene Flöte auf die Couch und verzieht sich in sein Zimmer. Rebecca trottet hinterher. Ich greife erneut zur Zeitung, kann aber keinen klaren Gedanken fassen - war das pädagogisch vertretbar, was ich gemacht habe? Hätte ich ihnen nicht besser erlauben sollen, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen? Mir kommen starke Selbstzweifel. Jetzt kann ich aber nicht einfach sagen, dass sie doch spielen dürften, das würde meine Autorität untergraben, mich zukünftig unglaubwürdig machen. Ich muss ihnen etwas anderes vorschlagen, das ihnen genauso viel Spaß macht und das ihre Fantasie fördert. Kneten? Mit Ton modellieren? Papierflieger basteln? Mit Wasserfarben malen? Genau! Das haben sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht.
Ich rufe Paul und Rebecca. Mit vorwurfsvollen, beleidigten Minen erscheinen sie. „Hört mal zu, ich habe überlegt, was ihr machen könntet. Wie wäre es mit Wasserfarben zu malen?“ „Oh ja!“, begeistert sich Rebecca sogleich. Paul bringt nur ein gedämpftes: „Von mir aus“, über die Lippen. Den bereits gelesenen Feuilleton sowie den Reiseteil der Sonntagszeitung breite ich auf dem Wohnzimmertisch aus; dieser hat genau die richtige Höhe zum Malen. Ein altes Senfglas fülle ich mit Wasser und krame aus unserer Bastelkiste Pinsel und zwei Wasserfarbkästen hervor. Aus meinem Büro hole ich noch einen Stapel weiße DIN A3 Blätter, die ich normalerweise verwende, um Mindmaps zu zeichnen. Die Malwerkstatt ist fertig!
Rebecca hat sich für das Anfertigen eines Landschaftsbildes entschieden, während sich Paul noch unschlüssig ist, ob er ein Star Wars Raumschiff oder ein Fußballstadion zeichnen soll. Jetzt ist die Harmonie wiederhergestellt - ich kann mich beruhigt der Zeitung widmen. Carola kommt mit Janosch vom Spaziergang zurück, erkennt, dass alle friedlich beschäftigt sind und nutzt die Gelegenheit, in der Abgeschiedenheit meines Büros einen sieben-undzwanzigseitigen Kooperationsvertrag zu studieren.
Als ich gerade inmitten eines politischen Kommentars bin, schreit Paul auf: „Pass doch auf du Saftnase, du hast mich ge-stumpt!“ „Ich bin keine Saftnase, du Kackstiefel!“ „Hallo, was soll das Gestreite denn schon wieder. Die Rebecca hat dich doch sicherlich nicht absichtlich angestoßen.“ „Hat sie wohl!“, ist sich Paul sicher und fährt mit seinem extra breiten Pinsel einmal quer über Rebeccas Hügellandschaft, was Frau Tochter umgehend zu Vergeltungsmaßnahmen veranlasst - fahrig lässt sie ihren Pinsel über Pauls grün-orangefarbene Kampfdruiden schnellen. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Die Pinsel werden zu Waffen umfunktioniert - Paul versucht, Rebecca damit abzustechen und Rebecca will Paul im Gesicht anmalen. Ich springe von der Couch auf, stoße dabei mit meinem rechten Knie an den Tisch - au, das tut weh - und kippe dabei das Senfglas, welches mittlerweile eine grau-braun-schwarze Flüssigkeit enthält
- um. Der Inhalt ergießt sich über die beiden Gemälde. Wenigstens wird so der geschwisterliche Kampf beendet. Sofort sind die ehemaligen Feinde Verbündete. Paul beschimpft mich: „Papa, du bist ein Trottel, unsere schönen Bilder!“ „Wie bitte? Hast du gerade Trottel gesagt? Ich glaub’, dir geht’s zu gut. So kannst du vielleicht mit
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