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Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Titel: Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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jetzt fertig? Meine Güte, so viel Betroffenheitskitsch auf einmal ist nicht auszuhalten! Wach auf, Mutter. Sieh dich an. Dieses lila Kleid sagt ja wohl alles. Lila, der letzte Versuch. Du hast dich gepimpt wie für den Ball der einsamen Herzen! Und gräbst schamlos alles an, was in Reichweite ist.«
    Wie grausam ihre Tochter war. Niki musste daran denken, wie sie früher stundenlang mit Peggy Barbiepuppen gekämmt hatte. Wie sie gemeinsam Plätzchen gebacken und auf dem Rasen hinter dem Haus Picknicks veranstaltet hatten. Abends hatte Niki ihrer Tochter stundenlang vorgelesen, eingekuschelt im Bett. Es war eine wunderbare Zeit gewesen, wunderbar und leider unwiederbringlich.
    »Dies hier ist meine letzte Chance«, sagte sie. »Ich will nicht nur abnehmen, ich will mein Leben ändern.«
    »Na, super.« Peggy verzog höhnisch den Mund. »Dannkomm nach Hause, entschuldige dich bei Papa und such dir einen Job. Ist mir völlig klar, dass du dich zu Tode langweilst, während Papa schuftet und ich meine Ausbildung durchziehe. Tu was. Geh arbeiten. Mach was aus deinem Leben. Aber rede dir bitte nicht ein, das ginge nur, wenn du hier deinen Wechseljahrsblues vergoldest.«
    Es hatte keinen Sinn. Weder Wolfgang noch Peggy wollten verstehen, was mit ihr los war. Das war herzlos, doch es war auch die Quittung für ihr jahrelanges Schweigen, wie Niki sich eingestehen musste. Nie hatte sie sich anmerken lassen, wie allein sie sich fühlte. Hatte gelächelt und gekocht und gefuttert und sich auf ihrem Sofa verbarrikadiert. Doch sie war zu erschöpft, um weiter zu diskutieren. Der Tag war anstrengend gewesen. Eine tiefe Müdigkeit erfasste Niki.
    Sie unterdrückte ein Gähnen. »Ich glaube, ich muss jetzt ins Bett. Wir reden morgen früh weiter, ja?«
    »Wie du willst.« Peggy erhob sich und schnappte sich ihren Trenchcoat. »Und zieh bitte den Fummel aus. Du machst dich lächerlich.«
    Niki duckte sich, als hätte sie jemand geschlagen. Lächerlich? So wirkte sie auf Peggy? Doch sie zeigte nicht, wie verletzt sie war.
    »Wo schläfst du eigentlich?«
    »In einem Zimmer zum Hof mit Blick auf Autos und Mülltonnen«, grollte Peggy. »Unter dem Bett lag ein Dildo. Was für ein verlotterter Drecksladen!«
    Ach du grüne Neune. Niki hatte die unselige Schachtel beim Umzug in das Doppelzimmer völlig vergessen. Kurzspürte sie eine anarchische Lust: Was, wenn sie Peggy damit schockte, dass der Dildo ihr gehörte? Doch das hätte ihre Tochter nur noch wütender gemacht.
    »Schlaf gut«, sagte sie leise.
    Aber Peggy war schon gegangen.
     
    Niki blieb ermattet sitzen. Abwesend starrte sie auf den leeren Sessel gegenüber. Ihre Familie war ein Trümmerhaufen, und auch sie trug Schuld daran. Wenn das mit der Surprise Party stimmte, hatte sie einen Fehler gemacht. Andererseits war die Party bestimmt nicht Wolfgangs Idee gewesen, der hatte anderes im Kopf. Und im Bett. Eines Tages würde sie Peggy die wahre Geschichte erzählen. Noch hatte sie nicht die Kraft dazu.
    »Störe ich?«
    Sie sah auf. Es war Leo. Er stand in der Tür und sah sie fragend an. Seine Krawatte hing etwas schief, und sein großer Bauch wölbte sich wie von einem unbarmherzigen Spaßvogel aufgeblasen über dem Hosenbund. Doch das machte nichts. Bei Leo spielten solche Äußerlichkeiten merkwürdigerweise keine Rolle. Niki war sogar froh, sein rundes, gutmütiges Gesicht zu sehen.
    »Komm, setz dich doch«, forderte sie ihn auf. »Sehr gesprächig bin ich allerdings nicht mehr.«
    »Kann ich mir denken.«
    Er ließ sich in einen Sessel neben Niki fallen und rückte seine Krawatte gerade. Wortlos starrten sie ins Kaminfeuer. Komisch, dachte Niki, es ist schön, wenn Leo da ist. Gemeinsamschweigen. Den Gedanken nachhängen, einfach so. Zum ersten Mal an diesem Tag entspannte sie sich ein wenig, auch wenn die Zukunft ein einziges Fragezeichen war.
    Leo hüstelte. »Ich habe einen Sohn, ungefähr in Peggys Alter. Er heißt Alexander. Tüchtiges Kerlchen. Mit seinen dreißig Jahren hat er schon eine eigene Anwaltskanzlei in London.«
    »Und, mögt ihr euch?«, erkundigte sich Niki.
    »Mögen? Weiß nicht. Manchmal ist er mir fremd. Ich glaube, er findet seinen Daddy peinlich.«
    »Meine Tochter findet mich auch peinlich«, sagte Niki kaum hörbar. »Mein Mann sowieso. Peggy hat übrigens gesagt, dass ich mich lächerlich mache in diesem Kleid. Stimmt das? Aber sag bitte die Wahrheit.«
    Leo schüttelte energisch den Kopf. »Reiner Unsinn, du bist die Schönste im ganzen Land!

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