Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Peggy ist einfach im Moment etwas voreingenommen.«
»Aber es lohnt sich doch, um seine Familie zu kämpfen, oder?«, fragte Niki. Sag ja, bat sie innerlich.
»Man sollte für das kämpfen, was man liebt«, erwiderte Leo. »Aber man kann nicht darum kämpfen, geliebt zu werden.«
Schlagartig war Niki hellwach. In Gedanken wiederholte sie den Satz, und jedes Wort flammte auf, wie mit Feuer in den Nachthimmel geschrieben:
Man sollte für das kämpfen, was man liebt. Aber man kann nicht darum kämpfen, geliebt zu werden.
Das war ziemlich philosophisch. Vor allem aber enthielt es eine ernüchternde Wahrheit – Liebe konnte mannicht erzwingen. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Was bedeutete das für sie? War ihr toller Plan am Ende auf einer Illusion erbaut?
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Leo sanft. »Du bist ein liebenswerter Mensch. Früher oder später wird dir die Liebe wie ein Geschenk in den Schoß fallen. Nur vielleicht anders, als du jetzt denkst.«
In dieser Nacht schlief Niki unruhig, nicht nur, weil Walburga schnarchte wie ein Walross. Die Unterhaltung mit Leo ließ ihr keine Ruhe. Irgendwann gab sie es auf, zog ihren Bademantel an und trat auf den Balkon. Der Himmel wurde langsam hell, die ersten Vögel begannen zu zwitschern. Alles sah so rein aus, so unschuldig. Warum machten die Menschen einander das Leben schwer? Sie hatte keine Antwort darauf.
Das Frühstück war eine klemmige Angelegenheit. Zu dritt hockten sie am Tisch und bemühten sich eisern, aneinander vorbeizuschauen. Niki nippte an ihrer heißen Brühe, das einzige Nahrungsmittel, das man ihr seit der Nulldiät zugestand. Leo verschanzte sich hinter seiner Zeitung und warf ab und zu besorgte Blicke auf Niki. Peggy rührte weder ihr Dinkelbrötchen noch den Schafmilchjoghurt an, den Fräulein Rottenmeier ihr hingestellt hatte. Das Schweigen dröhnte in ihren Ohren wie ein Presslufthammer.
»Ich hoffe, du hast gut geschlafen, Kind«, sagte Niki schließlich, bemüht, die Spannung aus der Situation zu nehmen.
»Dafür bin ich nicht hergekommen«, erwiderte Peggy spitz. »Ich kapier sowieso nicht, wie du es hier aushalten kannst. Wieso rennen die Leute alle wie angestochen rum?«
Sie zeigte zur Schwingtür am anderen Ende des Speisesaals, wo bleiche Gestalten zu ihrer morgendlichen Eruption eilten. Am Nebentisch fiel gerade ein Löffel klirrend zu Boden, als die englische Dame mit einem »Oh my God!« loshechtete, den rettenden Sanitäranlagen entgegen. Niki dagegen war wie immer um fünf Uhr aufgestanden und hatte das Teufelszeug schon geschluckt, deshalb lagen die heimtückischenKapriolen des Verdauungstraktes bereits hinter ihr.
»Das hängt mit dem Glaubersalz zusammen«, antwortete sie. »Wir reinigen hier alle morgens den Darm. Rückstandsfrei.«
Peggy verzog das Gesicht. »Ekelhaft. Übrigens werde ich gleich nach dem Frühstück fahren. Ich gehe davon aus, dass du mitkommst.«
Leo ließ die Zeitung sinken.
»Und worauf stützt du deine Annnahme?«, fragte Niki.
»Auf die Tatsache, dass du hier nichts verloren hast.« Peggy schob sichtlich angewidert ihren Getreidekaffee von sich. »Wenn du abnehmen willst – schön, das ist überfällig. Aber kein Grund, hier im Luxus zu baden und deine Zeit mit irgendwelchen Massagen zu verplempern. Ich spendiere dir sogar einen Kurs bei den Weight Watchers, wenn du nach Hause kommst.«
Wie sollte Niki ihrer Tochter erklären, dass das nichts helfen würde? Wie sollte sie den Zauber dieser Kur schildern? Inzwischen hatte sie begriffen, dass sich nur hier etwas in ihrem Leben ändern würde, in der Schutzzone des Vitalis, wo sich endlich einmal alles um sie drehte. Daheim war sie nur eine Randerscheinung, die überflüssigste Nebensache der Welt. Welche Diät auch immer sie dort ausprobierte, schon bald würden ihre besten Freunde wieder die Pralinen sein.
Mit einer verächtlichen Geste warf Peggy ihre Serviette auf den Tisch und stand auf. »Also?«
»In gut drei Wochen habt ihr mich wieder«, erklärte Niki, während sie in ihrer Brühe rührte, obwohl es da nichts zu rühren gab. »Solange müsst ihr Geduld haben.«
»Du verwechselst die Lampen des entgegenkommenden Zuges mit dem Licht am Ende des Tunnels!«, rief Peggy erregt. »Das war’s dann. Rechne nicht damit, dass ich dir jemals wieder eine helfende Hand reiche!«
Sie ergriff ihre Reisetasche, die neben dem Tisch stand, schüttelte noch einmal den Kopf und ging.
»Das ist nicht fair«, sagte Niki leise.
Leo
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