Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
faltete seine Zeitung zusammen. »Schönen Gruß vom Universum: Das Leben ist nicht fair.«
Nikis Augen füllten sich mit Tränen. Wie war das noch? Man kann nicht darum kämpfen, geliebt zu werden? Falls sie es bei Peggy überhaupt versucht hatte, war der Kampf jedenfalls gescheitert. Und es stand in den Sternen, ob sich das jemals ändern würde. Traurig sah sie Leo zu, der Peggys Schafmilchjoghurt löffelte.
»Man ist nie zu alt, um sich abzunabeln«, sagte er nach einer Weile. Er reichte Niki ein Stofftaschentuch, um ihre Tränen zu trocknen. »Man sagt ja immer, die Kinder müssten sich freischwimmen, um ihr eigenes Leben zu leben. Aber auch Eltern müssen das tun, so schwer ihnen das fallen mag.«
»Wie meinst du das?«, schniefte Niki.
»Nun, ich vermute, dass deine Tochter dich noch nie als eigenständigen Menschen gesehen hat. Du warst immer da, immer verfügbar. Jetzt machst du dein eigenes Ding. Und prompt setzt es Liebesentzug.«
Gar nicht so unschlau, was Leo da sagte. Ein Trost war es allerdings nicht. Die Menschen, die Niki am nächsten standen, zeigten ihr die kalte Schulter. Wie nahe waren sie ihr wirklich?
»Das Wichtigste ist, dass du jetzt nicht aufgibst«, beschwor Leo sie. »Mach weiter, lass alles andere los. Was steht denn heute Morgen auf deinem Programm?«
Niki zog den zusammengefalteten Zettel mit ihrem Anwendungsplan aus der Bademanteltasche und strich ihn glatt. Ihr Gesicht wurde noch eine Spur blasser, als sie las, was sie erwartete.
»Shiatsu«, murmelte sie. »Bei Mario.«
Dann hatte sie eine Eingebung. Ohne ein weiteres Wort lief sie aus dem Speisesaal. Mario hatte ihr eine lebenswichtige Lektion erteilt, aber sie Dämlack war mal wieder in ihr altes Muster zurückgefallen. Hatte sich Peggy als leidendes Opfer präsentiert, statt Klartext zu reden. Lass die Wut raus, Niki!, hämmerte es in ihrem Kopf, als sie zur Rezeption rannte. Schleuder deiner arroganten Tochter die Wut mitten ins Gesicht!
Peggy bezahlte gerade, als Niki die Rezeption erreichte. Sie sah genervt auf, als ihre Mutter neben ihr auftauchte.
»Ich muss dir noch was Wichtiges sagen«, rief Niki atemlos.
»Zu spät, es ist alles gesagt.«
»Nein, du hörst mir jetzt mal zu!«, widersprach Niki. Sie zerrte die verdutzte Peggy zu einer der Couchen in der Lobby. »Setzen!«
»Total ausgetickt«, zischte Peggy, aber sie nahm tatsächlich Platz.
Niki war außer sich. »Ja, ich bin ausgetickt, und weißt du auch, warum?«
Peggy betrachtete gelangweilt ihre Fingernägel. »Ich glaube, das interessiert mich nicht.«
Das eigene Kind interessierte sich nicht für die Nöte der Mutter? O ja, da war sie, die Wut. Niki spürte sie bis in den kleinen Zeh. Sie straffte die Schultern und zog ihren Bademantel zu. Dies war die Stunde der Wahrheit. Einer höchst unangenehmen Wahrheit. Aber Peggy war erwachsen, verdammt. Wie lange wollte sie ihre Tochter denn noch schonen? Und dafür mit Zurückweisung belohnt werden? Schluss mit Welpenschutz!
»Dein Vater, der mich angeblich so sehr vermisst, hat eine Geliebte«, brach es aus ihr hervor.
Mit einem unfrohen kleinen Auflachen tippte sich Peggy an die Stirn. »Das ist die saublödeste Ausrede, die ich seit langem gehört habe.«
»Ich habe ihn auf frischer Tat ertappt«, rief Niki. Sie bebte jetzt vor Zorn. »Er hat auf offener Straße eine junge Frau geküsst. Mit allem Drum und Dran. Eine Engtanzfete ist nichts dagegen – und das genau an dem Tag, als du diese verlogene Silberparty veranstalten wolltest. Es gibt keinen Zweifel: Er betrügt mich. Wer weiß, wie lange schon. So, jetzt kennst du die ganze Wahrheit.«
Es dauerte eine Weile, bis Peggy die Info verdaut hatte. Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe. »Aber …«
»Nichts aber. Du hast ja gar nicht hingehört, als ich gestern Abend ein paar Andeutungen machte. Ich wollte dir diese unappetitliche Geschichte ersparen, doch du lässt mir keine Wahl. Dein Vater betrügt mich! Seit Monaten kommt er erst spätnachts nach Hause. Wir reden kaum noch. Wer weiß, vielleicht denkt er schon an Scheidung.«
»Scheidung?« Peggy richtete sich alarmiert auf. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Warum nicht? Deshalb bin ich hier. Ich muss mein Leben umkrempeln, verstehst du? Und dafür brauche ich Unterstützung, körperlich und seelisch. Ich bin ein Wrack, Peggy. Leider hast du das genauso wenig bemerkt wie dein Vater. Für dich war ich doch immer nur die liebe, blöde Mama, dick und doof, eine antriebsschwache
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