Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
schwenkten.
»O Gott, eine Bad-Taste-Party«, stöhnte sie.
Die Situation drohte zu entgleisen. Niki versuchte sich in Schadensbegrenzung. »Komm, Peggy, wir reden in der Bibliothek, da ist es ruhiger.«
Sie ging voraus, und Peggy folgte ihr durch den Speisesaal. Für die Gäste war es eine willkommene Abwechslung. Hinter ihrem Rücken hörte Niki Getuschel und Gekicher. Egal. Ihr Ruf war sowieso ruiniert. Erst die Gerüchte über ihren angeblichen Psychokasper, dann Wolfgangs Rambonummer, heute die spektakuläre Magenentleerung im Fitnessraum. Und nun ein attraktiver Racheengel. Die Klinikleitung sollte mir einen Rabatt geben, dachte sie, mein Unterhaltungswert ist wirklich enorm.
Stumm durchwanderten sie die Flure. In der leeren Bibliothek angekommen, zog Peggy ihren Trenchcoat aus und warf ihn über einen der moosgrünen Sessel. Sie trug ein dunkelgraues Etuikleid und graue Pumps. Sehr elegant, sehrunpersönlich, fand Niki. Wo war das niedliche kleine Wesen geblieben, das sie so geliebt hatte?
Peggy sah sich um. Wie Niki mochte sie Bücher, und der gemütliche Raum schien ihr zu gefallen. Dennoch sagte sie keinen Ton. Sie presste nur die Lippen aufeinander und schüttelte ungehalten den Kopf.
Niki fühlte sich grässlich. Sie setzte sich in einen Sessel am Kamin, Peggy nahm gegenüber Platz. Eine Weile hörte man nur das Knacken des Feuers. Hatte Wolfgang ihre Tochter geschickt? Als Geheimwaffe? Das sähe ihm ähnlich. Selbstverständlich kannte er Nikis verwundbarste Stelle und bohrte mitten hinein.
»Wie konntest du nur!«, eröffnete Peggy das Gespräch.
»Was denn?«
»Na, einfach verschwinden«, erwiderte Peggy vorwurfsvoll. »Weißt du eigentlich, dass du dreißig Gäste versetzt hast?«
Niki schluckte. »Was für Gäste?«
»Es war euer fünfundzwanzigster Hochzeitstag«, stieß Peggy hervor. »Ich habe eine Surprise Party vorbereitet. Nur dass die Silberbraut leider fehlte, als es losgehen sollte.«
»Eine – Surprise Party?«, wiederholte Niki ungläubig.
»Vier Wochen lang war ich damit beschäftigt, Einladungen zu verschicken, das Buffet zu bestellen und eine Harfenspielerin zu engagieren«, schnaubte Peggy. »Doch meine Frau Mutter hat es ja vorgezogen, die Kurve zu kratzen. Es war ein Desaster. Papa war am Boden zerstört.«
Niki schlang ihre Finger ineinander. »Was? Aber, aber …«
»Du bist so was von egoistisch«, wurde Peggy laut. »Hängst hier mit irgendwelchen Freaks ab, verbrennst das ganze Geld und verschwendest keinen einzigen Gedanken daran, was zu Hause los ist!«
In Nikis gequälter Seele tobte ein Widerstreit. Sollte sie Peggy von Wolfgangs Affäre erzählen? Das hätte alles aufgeklärt – ihre überstürzte Abreise, ihre Flucht in diese Diätklinik. Aber durfte sie ihrer Tochter den Vater entfremden? Nein, sie hatte kein Recht dazu. Die Affäre ging nur sie und Wolfgang etwas an. Außerdem schämte sie sich für seine Untreue, obwohl er es war, der sie betrog. So weit war es schon mit ihr gekommen.
»Es lief in letzter Zeit nicht alles rund«, sagte Niki leise. »Ich war so unglücklich. Diese Kur bedeutet mir viel. Sehr viel.«
»Unglücklich sieht anders aus«, befand Peggy kalt. »Wenn ich nicht gekommen wäre, hätte der Walfisch dich abgeschleppt. Und diese Walburga ist ja wohl das Allerletzte. Was für eine ordinäre Person. Hast du deinen Verstand an der Garderobe abgegeben? Warum bist hier gelandet?«
Niki seufzte tief. »Kind, es gibt Dinge, über die ich lieber nicht sprechen möchte.«
»Kann ich mir vorstellen«, ätzte Peggy.
Das Misstrauen ließ die Kluft zwischen ihnen immer tiefer werden. Niki meinte, in einen gähnenden Abgrund zu schauen.
»Du willst die Wahrheit? Die kannst du doch gar nicht ertragen«, sagte sie. »Seitdem du aus dem Haus bist, ist Papakaum noch daheim. Ich war schrecklich einsam. Depressiv. Vollgestopft mit Essen, doch vollkommen leer.«
Peggy verdrehte die Augen. Hatte sie überhaupt verstanden, was ihre Mutter sagte? Vermutlich nicht.
Niki versuchte, sich zu sammeln. Wie hatte es Mario noch formuliert? »Ich habe gegessen, um zu vergessen«, fuhr sie fort. »Ich habe mir einen Schutzpanzer zugelegt, damit ich nicht wahrnehme, was rings um mich passiert. Essen betäubte mich. Essen war meine Droge. Und am Ende konnte ich mich selbst nicht mehr spüren. Keine Freude. Keinen Schmerz. Ich habe mir einen Frustpanzer angefuttert, das ist die traurige Wahrheit.«
Mit verschlossenem Gesicht hatte Peggy zugehört. »Bist du
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