Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
lächeln alle außer Derek, der seine eigenen Probleme hat, die ich noch vergrößern werde, und darum verachte ich sie und mich selbst.
    Verachten ist allerdings genauso gut wie alles andere – ein angemessener Zeitvertreib.
    Gordon und Ted diskutieren also ihre Knieoperationen – und als der Aufzug uns endlich entlässt, gehen sie uns voran in den Zuschauerraum, während ich – so wie sie es in aller Ausführlichkeit getan haben – über die Vorzüge und Nachteile endoskopischer im Vergleich zu offener Chirurgie nachgrübele, wobei mich allerdings wahrhaftig mehr interessiert, ob Gordons stille Frau mit den tiefen Augen ihn eines Tages mit einer pastellfarbenen Golfhose erdrosseln wird – er brauchte das Plastikknie, um weiter Golf spielen zu können – oder ob sie womöglich mit Mrs Ted Morde tauschen wird, sich als Hure verkleiden wird, die wie seine Mutter aussieht – seine Vorlieben gehen zweifellos in die Richtung – um ihn dann, auf den Küchentisch gefesselt, mit einem großen, nicht gebutterten Gemüsestück zu Tode zu penetrieren.
    Das meine ich nicht so.
    Sie waren ganz in Ordnung.
    Wahrscheinlich.
    Selbst Ted – der sexuell verängstigte und für sein aktuelles Image zu alte Ted. Er glaubt, seine Welt ist aus den Fugen, weil Moslems, Sozialisten und die Vereinten Nationen Fuchsjagdszenen von Weihnachtskarten verbannt haben. Dabei ist es doch offensichtlich, dass an die zarte Geburt des Friedefürsten, den Taufkuss seiner jungfräulichen Mutter, das harmonische Gedränge an der Krippe im Stall auf jeden Fall mit Zeichnungen von Fast-Nazis und Pinochet-Anhängern erinnert werden sollte, die über Äcker galoppieren, die ihnen nicht mehr gehören, um irgendetwas zu beweisen, um danach Hunden zuzusehen, die einen Fast-Hund in Stücke reißen – oder eine Katze oder irgendein ebenso schmackhaftes Haustier.
    Herrgott, ich möchte gar nicht so sein.
    Oder hier sein – und auf einen Zauberer warten.
    Natürlich.
    Beth ist fast erleichtert, dass sie am Ende »Nicht verpassen: die Persönlichkeit und den Zauber von Matt Mitchell« anschauen muss.
    Und ich muss ihm dankbar sein, weil er Derek sowohl außerhalb der Kabine und als auch in wachem Zustand halten wird – bis das schwere Essen und das Scopolamin wirken.
    Hoffe ich.
    Hoffte Francis.
    Dabei sollte Francis seinen Optimismus für Besseres aufheben.
    Das Saallicht wird dunkler und geht aus, jedoch nicht aus Melancholie.
    Wenn Derek schläfrig und brav ist, können wir zivilisiert bleiben.
    Oder, um es deutlicher zu sagen, ich hätte ihn gern vorübergehend behindert, weil mir das zum Vorteil gereichen wird, wenn ich gestehe, was ich gestehen muss und längst gestanden haben sollte, wenn alles meine Schuld wird.
    Ein Strudel bedeutungsschwangerer Musik steigt zu den Balkonen hinauf und strömt dann wieder herab.
    Und da kommt der reizende Matt.
    Matt ist ein wenig dicklich, die Linie seiner Schultern spricht von Versagen.
    Anscheinend hat er seine Persönlichkeit heute Abend nicht dabei. Wollen mal sehen, ob sein Zauber da ist …
    Arthur sagte immer, ich sei gnadenlos.
    Matt fängt mit seiner Nummer an, manipuliert seine mit Samt überzogenen Requisiten und schlurft lahm um seine seltsam proportionierten Tische, während die Bühne ächzt und wogt.
    Schwarzer Anzug, orange Weste – ich wette, er trägt, ja, tatsächlich, passende orange Socken … und die Damen und Herren bewundern ihn – genau wie seine Zeitung, die er gleich zerreißen und dann wieder ganz machen wird, und danach, nehme ich an, zu einem Zylinder aufrollen und wundersam mit Milch füllen wird.
    Das sind wahrhaftig die Siebziger – 1974 oder 1976.
    Und wir sind auf einer verfluchten Geburtstagsfeier.
    Mein Vater, der hätte den Saal gerockt. Der hatte die richtigen Sprüche, der hatte Stil, der konnte das – ein wahrer Illusionist – das Wort fand ich immer so glanzvoll – und zwischendurch warf er noch ein bisschen Taschendiebstahl oder Levitation ein, oder er bewegte die Karte dorthin, wo sie nicht sein konnte, weil du sicher warst, es konnte nicht sein, weil du hingeschaut, dich konzentriert, weil du damit gerechnet hattest, getäuscht zu werden, und darum extra aufgepasst hattest, aber da ist sie: in der Kartenkiste, die du die ganze Zeit mit der Hand abgedeckt hast, ganz sicher jede Minute – über so etwas Simples konnte es doch keine Unklarheit geben, oder über die Frage, wann ein Trick anfängt und wann er aufhört.
    Er machte dich staunen.
    Sicher, er machte vor

Weitere Kostenlose Bücher