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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nie davon gehört. Sie werden sie höflichst ins Theater begleiten, und Sie werden die tiefe Enttäuschung über Ihr eigenes Verhalten weder an ihr noch an irgendjemandem sonst auslassen – Sie werden keinem der Bediensteten Ärger machen.« Derek hält den Kopf gesenkt, und Francis behält seinen Ton bei, während er Bunny und Beth hinterhältig fröhliche Blicke zuwirft und lügt: »Ich habe gedient, ich kenne Ihre Sorte.« Einen Atemzug lang freut er sich daran, wie unwahrscheinlich das ist, und fügt dann nüchtern und direkt hinzu: »Sie werden sich die Vorstellung anschauen. So macht es ein Gentleman mit einer Dame. Sie werden sie begleiten .«
    Dereks Blick hebt sich zögerlich. Er kann Francis nicht einschätzen, weiß nicht, wer einen richtigen Kampf gewinnen würde, denn Francis sieht inzwischen ganz brauchbar und bedrohlich aus, und es wäre doch völlig verkehrt, von einem alten Mann verprügelt zu werden. Vor allem Dereks Gesicht wirkt verängstigt, doch gleichzeitig versucht er sich als höflicher Mensch zu präsentieren, der einem älteren Mitbürger nicht widersprechen will: »Ich weiß nicht, ich – «
    Das war ein Blöken – ein eindeutig unmännliches Geräusch.
    Ich dürfte das nicht genießen.
    Tue ich aber.
    Derek blinzelt. Er wird gerade gedemütigt.
    Aber er hat keinen Schimmer, wie sehr, wie tief, und das ist es, was ich nicht genießen kann.
    Und Francis hat recht: Der einzig erträgliche Ort für uns ist das Theater. Wo Derek, wo unsere Lage durch ein Publikum abgemildert wird.
    Francis bleibt beharrlich – wie ein eleganter Totschläger. »Sie wissen was nicht? Was heute gegeben wird? Das ist mir ganz egal, was gegeben wird. Was es auch sein wird, es wird Ihnen eine wahre Wonne sein. Und auf dem Weg dorthin können Sie sich ausgiebig Gedanken über Ihr großes Glück und ihre anhaltende körperliche Gesundheit machen.«
    Derek versucht die Stille zu enträtseln.
    Dann: »Auf geht’s.« Und einen Augenblick legt Francis Beth den Arm um die Taille – warm und leicht – und küsst sie auf den Kopf. »Beginn um halb neun. Sie wollen sicher nicht zu spät kommen – das wird Ihnen beiden helfen, heute Nacht gut zu schlafen.«
    Und für diesen Satz könnte Beth ihn küssen – also tut sie es, und diesmal kann sie das Gefühl des Abschieds nicht vermeiden.
    Küss ihn mit dem Mund einer Liebenden. Auch Francis versteht Liebe.
    Und dann küsst sie Bunny: »Sie haben da einen Gatten von allerbester Qualität.«
    Bunny, die nach Chanel und Puder und ständigem mäßigen Schmerz riecht: »Er ist nicht schlecht. Aber das kann ich ihm nicht sagen – er ist so schon unerträglich, und im Augenblick in seltsamer Stimmung.«
    Sie unterhalten sich, als wäre Derek schon weg, und bald stolpert er auch weg vom Tisch, steuert rasch und plump zwischen den anderen Essensgästen hindurch nach draußen und lungert dann an der Außentür.
    »Ich bin überhaupt nicht in seltsamer Stimmung.«
    »Das sagt er immer, wenn er in seltsamer Stimmung ist.«
    »Und das sagst du immer.« Francis setzt sich neben seine Frau, aufmerksam und zufrieden neben ihr, ein wenig erfreut über seine jüngste Darbietung, aufgeregt, und als Beth sie verlässt, sind sie ganz sie selbst, nur etwas lauter für Beth, und sie glaubt, wenn sie fort ist, werden sie ihren Tee trinken und vielleicht früh zu Bett gehen und von da an fortfahren.
    Derek begleitet sie so erfolgreich zum Theater, dass sie fünfzehn Minuten zu früh ankommen.
    Allerdings hat er mich eigentlich nicht begleitet – einen Schritt vorausgehen und tödlich beleidigt schmollen heißt nicht begleiten.
    Ich sollte es ihm erzählen – dann könnte er gehen, oder ich könnte gehen. Könnte uns beide aus meinem Elend erlösen. Damit wir wegkommen, jeder zu sich selbst.
    Aber ich bin feige.
    Nach der Vorstellung. Dann tu ich es.
    Nach dem Warten auf die Show und dann die Show.
    Versprochen.
    Das Warten kriegen wir hin – stilles Warten. So still wie das Starren im verbitterten Fahrstuhl, in dem Gordon aus Nuneaton (mit Frau) und Ted von den Kanalinseln – er sagt nicht, von welcher Insel, vielleicht wohnt er auch auf mehreren – ich kenne einen Mann, der auf einer einzelnen bestimmten Kanalinsel lebt und darüber spricht – dieser Gordon also (mit Frau) und Ted (ohne Frau) – Teds Frau ist früh zu Bett gegangen: Er sagt, so können sich seine Ohren mal erholen, und wir lächeln alle darüber, sind Komplizen seiner minderschweren Abscheulichkeit – das heißt, wir

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