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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Männer zu sehen. Das ist wie eine Art Blutopfer, oder Selbstverletzung. Ich kann das nicht ertragen. Ich bin ja selbst kein Engel und kann mir nicht viel einbilden, aber …« Und seine Finger erinnern sich an ihre vorherigen Absichten, krümmen sich für einen Moment.
    »Ich wünschte, es ginge Sie mehr an, Francis – Sie hätten das alles … geschickter oder … Und es tut mir so leid, dass er Bunnys Gefühle verletzt hat. Ich hätte ihn überhaupt nicht in Ihre Nähe bringen sollen – ich hatte geglaubt, ich würde mit ihm fertig, wenn Sie dabei sind – und es tut mir wirklich sehr leid. Und Sie können ihn gerne schlagen, wenn Sie wollen.«
    Darauf Francis ganz sachlich: »Will ich.« Und entschlossen.
    »Ich weiß, dass Sie wollen.«
    »Ich war nicht immer ein Gentleman – das ist mir im Lauf der Zeit so zugewachsen, wie Moos. Er hat sogar ziemliches Glück, dass ich ihm nicht den verschissenen Schädel einschlage. Wie ich früher gesagt hätte. Fragen Sie Bunny.« Das hat er mit genüsslichem Londoner Straßenakzent gesagt, ein Aufglitzern dessen, was er immer noch sein könnte.
    Kann ich mir vorstellen – smart und geschickt, und Bunny steht auf diesen gefährlichen jungen Mann. Nicht allzu beängstigend, gerade richtig.
    »Ich werde sie fragen. Wenn wir allein sind. Und ich – «
    Wieder packt er sie an den Schultern, diesmal etwas heftiger. »Hören Sie, das ist jetzt nicht der passende Zeitpunkt, und normalerweise nutze ich mein unfassbar fortgeschrittenes Alter nicht aus, um Ratschläge zu verteilen. Erstmal will sie sowieso niemand hören – natürlich nicht: Es sind Ratschläge. Aber ich habe Kinder in Ihrem Alter … Nein, habe ich nicht …« Einen Augenblick wirkt er reuevoll. »Ich hatte gehofft, da würden Sie mir sofort widersprechen. Meine Söhne sind Mitte zwanzig. Nette Jungs. Und ich würde sie nicht in Ihre Nähe lassen, denn das würden Sie nicht überleben.« Wieder eine Pause, damit er lächeln kann, wenn Beth lächelt, was sie tut. »Nicht böse gemeint – vielmehr als Kompliment. Aber – zurück zum ursprünglichen Thema – wenn ich eine Tochter hätte … solche Dinge darf man sagen, wenn man schon hundertachtzig ist …« Doch er kann ein solches Ding nicht in Worte fassen, die ihm passen. »Ach, scheiß drauf. Sie und das da funktionieren nicht.« Er neigt den Kopf in Dereks Richtung, als wünschte er, dass er entfernt wird. »Sie und irgendwer anders scheint zwar sehr schmerzhaft, aber immerhin bedeutet er Ihnen was … Offensichtlich … Darum würde das vielleicht funktionieren. Wenn dieser irgendwer anders dafür verantwortlich ist, wie Sie heute aussehen.«
    »Wie meinen Sie das denn?«
    »Heute Abend ist bei Ihnen etwas nicht so wie vorher – und es ist die Sorte Unterschied, die … Das kommt jetzt wieder davon, dass ich hundertachtzig bin – ich hab schon alles gesehen … Fast alles … Manches … Das ist … In den Worten des unsterblichen Jimi: Have you ever been experienced? Well, I have. «
    »Er mag Jimi. Der andere – «
    »Der andere Bursche. Ich weiß. Derek bestimmt nicht. Und Mr Hendrix zu mögen spricht natürlich für den Anderen … Nicht dass wir hier unbedingt von der gleichen Art Erfahrung reden wie Jimi … andererseits geht es immer um Rausch, oder? Letztlich …« Doch er möchte lieber bei Bunny sein – sie ist aufgeregt, und er war tapfer für sie und wird es wieder sein – wird noch viel tapferer sein müssen – und er würde Beth gern noch mehr helfen, aber Bunny ist Bunny und sein Alles. Also macht er es kurz: »Versuchen Sie es.« Um es dann kurz zu bereuen. »Schauen Sie, ob sie gut zueinander sind. Versuchen Sie’s. Vielleicht. Es wird Sie nicht umbringen.« Und er zeigt ihr sein Gesicht, sein ungeschütztes, unvorbereitetes Gesicht: »Aber viele andere Dinge können das. Ganz sicher.« Das gibt er ihr, nestelt dann am Kragen herum, wischt sich unsichtbare Fussel von den Schultern, wird wieder leutselig – und dann streng. »Also …« Die Stimme eines Vaters von Söhnen. »Der Vollidiot. Mit dem muss ich ein Wörtchen reden.«
    »Aber – «
    Er wird ihn doch nicht wirklich schlagen, oder?
    Francis marschiert auf ihn zu, und obwohl Derek vollauf damit beschäftigt scheint, eine Schale grünes Thai-Curry zu verschlingen, schaut er hoch, stockt, wirkt bestürzt, und Francis sagt zu ihm – sehr deutlich: »Sie werden jetzt nichts mehr essen. Sie werden Elizabeth hier ins Theater begleiten. Tun Sie nicht so, als hätten Sie noch

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