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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Abnormität, die ihre Bosheit beweisen würde. »Ich war krank, und du warst … Den ganzen Tag heute. Den ganzen Tag. Und wo warst du die ganze Woche?« Er möchte mit dem Finger auf sie zeigen und kreischen.
    Im Grunde zeigt er schon mit dem Finger und kreischt. Und die ganzen unzufriedenen Paare lungern noch herum und starren uns an, weil wir offensichtlich noch viel unzufriedener sind als sie alle.
    »Ich bin aufgewacht, und du warst nicht da, und warst nicht da, und ich wusste nicht, wieso, und dann bist du zurückgekommen und warst … heute warst du – «
    »Derek, wie du schon sagst« – Ich bin so feige, Herrgott, bin ich ein Feigling – »Es ging dir nicht gut. Ich habe mich umgeschaut.«
    »Um-ge-schaut?«
    Wir sind die Zugabe fürs Publikum. »Ich habe … du hast viel geschlafen. Du weißt gar nicht – « Sie sollten uns dankbar sein. Wir sind ziemlich genau so mittelmäßig und vorhersehbar, wie sie es gern haben.
    »Ich weiß !« Das jetzt wirklich geschrien, und die Menge zuckt zurück, falls es jetzt richtig unschön werden sollte. »Warst du bei ihm?«
    Sie werden einen Steward schicken, oder die Sicherheitskräfte – wir blamieren das ganze Schiff, weil wir weder elegant noch schick gekleidet sind.
    Weicher Pullover.
    »Bei ihm? Derek, was soll das bedeuten, bei ihm? «
    Weicher Pullover.
    »Dieser alte Sack – der hat dich ständig befummelt. Ist es der? Warst du bei ihm?«
    »Bei Francis? «
    »Ist mir scheißegal, wie er heißt – ist er es? Er hat eine Frau. Du vögelst mit einem verheirateten Rentner.«
    Ich muss ruhig sein, und woanders. Ich muss weggehen und ihn verlassen, und er gibt mir allen Grund dazu. »Du warst unverschämt zu seiner Frau.«
    »Und du vögelst ihn !«
    Es liegt nicht an dir, sondern an mir. Sagt eigentlich irgendwer das wirklich? Lebwohl, es liegt nicht an dir. Dabei liegt es natürlich an dir; wenn ich dich verlasse, muss es offensichtlich an dir liegen.
    Und an mir.
    Wieso fühle ich nichts?
    »Francis war sehr freundlich zu mir – «
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    Das sollte keinen Spaß machen – sein Tempo aufzunehmen, es zu bestimmen, hier sind seine Schultern, parallel zu meinen, und unsere Füße – die sind nicht einer Meinung – aber jetzt – und ich füttere ihm Ruhe und will sehen, ob ich gewinnen kann. Wenn ich ein Spiel aus ihm mache, kann er mir keine Angst machen, obwohl er mir auch so keine Angst macht – ich habe keine Angst, schäme mich nicht, gar nichts.
    Ich bin gar nichts.
    »Derek, das ist doch absurd.«
    Derek starrt sie böse an, doch er würde lieber befriedet und überzeugt.
    »Du bist absurd. Francis ist verheiratet, er liebt seine Frau, er ist … er ist ein sehr netter Kerl. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    Und sie führt und er folgt, und langsam, unbeholfen staksen sie in ein Foyer, vorbei an einer blinzelnden Reihe Fahrstuhltüren. Sie führt ihn von seinem Tatort weg, näher zu ihrem Tatort, wobei sie beide mehr oder weniger angestrengt ignoriert werden – manche Beobachter haben die vorherige Szene verpasst, andere sind der Ansicht, es hätte sie nie geben dürfen und habe sie daher auch nicht gegeben.
    Doch ich spüre in manchen Augenzeugen so ein Kitzeln und Kichern. Vor allem diese Frau im hellbraunen Hosenanzug – die ist schon ganz heiß und feucht vor Unterstellung, und sie wird reden. Sie werden alle reden. Bis morgen früh wird dies das ganze Schiff erregen: der perfekte schmutzige Klatsch.
    Auch Derek spürt den hungrigen und missbilligenden Druck gegen das, was er gern tun würde – er möchte die volle Ladung Drama und dann wahrscheinlich eine Versöhnung. »Du Fotze.«
    Ich möchte aber nicht, dass Francis es erfährt – nicht Bunny und nicht Francis.
    »Derek, weißt du, was ich heute gemacht habe? Während du geschlafen hast? Mal wieder geschlafen hast« – ein Klassiker: dem Opfer die Schuld geben – »Ich bin zum zollfreien Parfümverkauf auf Deck Drei gegangen – eine erregende Erfahrung: halb Dorftombola, halb Der Untergang der Poseidon « – wenn man so sehr lügt, wird man ganz schwindlig davon – »Und dann habe ich Mittag gegessen und habe die Schiffszeitung für heute gelesen und versucht zu lernen, wie man die Schiffsoffiziere an ihren Epauletten erkennt« – als Ersatz für die Wirklichkeit eine Geschichte, die ich glauben kann, damit ich glaubhaft sein kann – »Und ich habe mich massieren lassen, weshalb ich auch den Pool und die Sauna benutzen durfte, wo ich in

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