Das blaue Buch - Roman
kannst du nicht anders als ihnen weitreichende und wahllose Liebe anzubieten.
Aber das ist Arthurs Trick – so kann er seine Fragenden mit Liebe zu Offenheit und Vertrauen drängen. Wenn er bewusst an ihre Zerbrechlichkeit denkt, wird es irrelevant, ob er sie nicht mag oder gar verabscheut – denn Liebe ist darauf seine einzig angemessene Reaktion. Er liebt sie, und sie wissen es, und das bedeutet, sie werden ihn in sich graben lassen.
Er wäre bereit für Francis. Er würde die Hand des guten Gatten nehmen und seine eigene darum schließen, seinen Daumen in ihr Herz drücken, sie dort berühren, wo es blutet.
So würde er anfangen.
MANCHE MENSCHEN KÖNNEN für sich im Café sitzen und Kaffee trinken, ganz nackt allein sein, Gebäck essen, oder auch etwas Kniffliges wie Pasta, und nichts dabei finden.
Aber du vielleicht nicht – nicht jeden Tag, nicht unter allen Umständen.
Manchmal schaust du dir die Leute im Café an, ihre selbstsicheren Körper, bei ihnen ist alles gut, soweit du das beurteilen kannst, und du denkst – Wer seid ihr? Wie kriegt ihr das hin? Denn es scheint, als würden sie es sehr gut hinkriegen, während du es offenbar ab und zu nicht so gut schaffst.
Durch Foyers zu gehen, in unbekannte Räume, halbleere Restaurants, auf die ersten Schritte einer ersten Verabredung zu warten, auf Partys mit zu vielen unbekannten Gesichtern zu sein – das kann dir anstrengend werden. Aber gesellschaftliche Nervosität ist normal, eine Art Band, denn du hast erkannt, natürlich hast du erkannt, dass dein Unwohlsein oft von einem ähnlichen, wenn nicht tieferen Unwohlsein der anderen herrührt. Und du hast dir schon gewünscht, du könntest einfach verkünden – wir haben alle Angst in dieser Situation – was es auch sein mag – wir zeigen alle Nerven, sind dünnhäutig, auch wenn wir es nicht sein sollten, und obwohl wir erwachsen sind, haben wir das Gefühl, wir würden gern wegrennen oder in Tränen ausbrechen – große Kinder in albernen Klamotten, die sich eigentlich gut präsentieren sollten, es aber nicht tun und sich auch gar nicht vorstellen können, wie das gehen soll, und das tut ganz buchstäblich weh, und wir sollten damit aufhören – aber du hast nie ein Wort dergleichen geäußert: Du hast nur Unsinn geredet, während Stimmen eigenartig kippten und man Gegenstände fallen ließ und der Raum reizbar wurde, oder verzweifelt nach einem Drink verlangt, oder nach mehreren Drinks, oder nach irgendwem, mit dem man sich wirklich unterhalten konnte.
Denn es kann kompliziert sein, Spaß zu haben.
Dabei kannst du schon allein ausgehen: zum Beispiel in einem Möbelladen stöbern, oder sonst wo, wohin du willst – durch den Park schlendern, einen Film sehen, ohne von irgendjemand anderem gestört zu werden – es ist möglich, so etwas zu genießen, als Abwechslung, als Erholung.
Aber die Café-Situation – die kann nerven. Du hast, wenn du ehrlich bist, dort gesessen und dich gefragt, ob deine Hände vielleicht nicht richtig angewinkelt waren, ob du nicht richtig gepasst hast, ob die Leute, die Blicke in deine Richtung warfen, nicht schockiert waren, dich nicht irgendwie widerwärtig fanden. Du hast das Gefühl gehabt, dein Alleinsein könnte womöglich ganz berechtigt und verdient wirken.
Und darum brauchst du Spiele – Spiele für unauffällige Menschen an öffentlichen Plätzen – und dein Buch kann sie dir hier bieten, möchte dir helfen.
c) Du kannst deinen Kaffee, Tee oder ein Getränk deiner Wahl nippen – vielleicht entkoffeiniert – und glauben, dass du dir eine kurze Pause von dringender Geschäftigkeit gönnst. Das wird in gewissem Grad immer zutreffen und keine grundlegende Lüge sein – und, da dein Glaube dich selbst und andere überzeugt, solltest du mit leichter Gereiztheit und Nachsichtigkeit auf die Uhr schauen: Du wünschtest, dein Leben sei nicht so anstrengend, aber was willst du machen …?
Das wirkt viel weniger unglücklich als allein irgendwas zu trinken, und was kann in einer gnadenlosen Welt schon falsch an beruhigenden Falschheiten sein?
Aber versuche nicht den Eindruck zu erwecken, du würdest tatsächlich auf jemanden warten. Denn derjenige wird – natürlich, weil du gar nicht auf ihn wartest – nicht kommen können, und das könnte auf deine Beobachter traurig wirken.
Also eine andere Option.
d) Solltest du so etwas bei dir haben, kann ein Telefon immer Entspannung bringen. Es kann die notwendige Aufgabe bieten, deinen Posteingang zu leeren oder
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