Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Betreffenden genug gefallen, dich selbst zum Höhepunkt zu bringen – aber du fühlst dich nackt, beschämt, außergewöhnlich, wenn du daran denkst, dass er es weiß, dass du es ihm sagst: gestern habe ich meine Hände in deine Hände gewünscht und von dort aus weiter improvisiert – dann ist es fast zu unbehaglich, weiterzumachen.
    Fast.
    Aber wenn wir zusammen waren, schweiften wir ab, schufen Ablenkungen. Er interessierte sich für meine Arbeit: fand für mich Beschreibungen von Massenschutzräumen, ihre Vorratslisten, die Brennstoffmengen, die für Generatoren bereitgehalten wurden, die Regeln für Einlass und Abweisung – Überleben war nicht immer die größere Gnade – manche Dinge sollen verdammt noch mal nicht zu überleben sein – deine Ehefrau tot draußen, deine Kinder tot draußen – Kind, Hündchen, Katze – dein Leben tot draußen. Keine Türen an den Toiletten, damit man sich nicht darin versteckt und sich umbringt.
    Wir hörten Patrick Allen als die letzte Stimme, die wir jemals hören würden: all seine Ansagen – vernünftige und unvermeidliche Ratschläge für Kriegszeiten, und darunter der Gestank der Hölle. Das dürfte eigentlich nicht sexy sein. War es aber.
    Ich hatte den Kopf voller massenhafter Opfer und Zerstörungen, er voll mit keine Ahnung was – Mann mit Handschuhen, Zaubermann, stiller Mann, Mann, der manchmal im Blumenladen arbeitet, der dir Sachen bauen kann: Schränke, Bücherregale, kleine Kisten mit Schiebewänden, private Orte – praktisch – geheim – deren Zweck es scheint, woanders und noch nicht entdeckt zu sein.
    Monatelang hat er mir nicht erzählt, was er wirklich macht. Dann die Handschuhe ausgezogen, mein Gesicht gehalten und es mir erzählt, mich geküsst. Und warum es nicht zusammen probieren – den Verwundeten gemeinsam ihre Toten geben – Gleichgewicht des Jenseits – bombensicher.
    Und es leuchtete ein. Wirklich. Es schien wunderschön.
    Auch wenn ich nicht gerade besonders schlüssig denken konnte: Abwesenheit von Schlaf – Anwesenheit von Liebe.
    Und als nächstes stehle ich die Geheimnisse meines Vaters, lasse sie in der Handfläche verschwinden, adaptiere sie, lerne jede Nacht meine neuen Lektionen – saubere Nächte.
    Zumindest blieben sie sauber, solange ich allein war. Danach weniger.
    Aber ich hätte auch einfach mit ihm schlafen können – wir hätten einfach anfangen können, wenn ich gefragt hätte. Ich glaube, so war es. Aber ich wartete. Monatelang versuchte ich es nicht. Damals gab es keine Hindernisse, und bei mir war auch alles in Ordnung, größtenteils – ich war nur verärgert, verständlicherweise wütend über empörende Dinge. Er war mir wichtig, aber fremde Menschen auch. Ich wollte helfen. Ich machte meinen Doktor, damit ich helfen konnte.
    Und ich wusste – fang an, Arthur zu lieben, und es wäre nicht mehr zu kontrollieren. Ich würde mich darin verlieren. Wir beide.
    Ekstase.
    Die will eigentlich keiner.
    Also beschränkten wir uns auf Lehrstunden und Struktur und Übung – Hände mit Händen, und Hände in Händen, und Gedanken an Gedanken gelehnt.
    Und wir hatten den Code – den simplen Code – unseren ersten Code.
    1 – Bitte zuhören
    2 – Mann
    3 – Verlust
    4 – Kind
    Leicht.
    Als sie oben zur Tür raus an die Luft kommt, fühlt die sich verschlossen an, weil der Sturm sie mit solchem Gewicht zudrückt. Beth muss sich dagegenlehnen, das glänzende Holz mit der Schulter stemmen, ihm einen letzten Stoß geben, bis der Druck nachgibt und sie in einen gnadenlosen Raum schießen lässt. Einen Augenblick lang kann sie nichts sehen, nicht atmen, wird einfach gehalten – der Schock des Wetters, der schöne Angriff verhindert jeden Gedanken – und dann kommt die Freude, ein immenses, entsetzliches Vergnügen in jedem Windstoß, der sie anspringt wie ein großer Hund, der ihr die Kleider mit einem Schlag an den Körper presst, ihre Haare verrückt macht, in jede Richtung um sie herumschlenkern kann, sie schubst, zerrt, stolpern lässt, wohin er will, und der Himmel ist über ihr und stößt zu jedem Horizont herab, ein blaues Heulen: ein hoher, heftiger Schmerz aus Blau, die Wolken in Streifen, Bändern, Strahlen, Flammen – alles ist lebendig und bringt sie zum Lachen.
    Besser.
    Am besten.
    Am Ende suchst du sie dir – deine Ekstasen. Diejenigen, die du ertragen kannst.
    Das Deck unter ihren Füßen ist trocken und hell, glänzt wie gebleicht von reiner Geschwindigkeit und blinkender Sonne.
    Sie bleibt stehen

Weitere Kostenlose Bücher