Das blaue Feuer - Roman
Streifen vorher benutzt worden waren, aber sie sahen weder sauber noch weich aus. Je näher er kam, desto deutlicher konnte ich sie riechen. Irgendwie sauer.
»Bitte, nicht.«
»Schaut euch das an«, sagte er und knüpfte einen dicken Knoten. »Manieren und Hinterhältigkeit.«
»Maul auf!«
Ich schüttelte den Kopf. Er packte meinen Unterkiefer und drückte mir die Finger in die Wangen. Mein Mund öffnete sich, und er stopfte mir den Knoten hinein. Dann band er die Enden hinter meinem Kopf zusammen. Ich zuckte zusammen, als er mir dabei ein paar Haare ausriss.
Fjeso grinste und nahm den zweiten Stoffstreifen zwischen die Hände. Staub flog heraus und tanzte mir um den Kopf. Ich hielt die Luft an, damit ich nicht niesen musste.
»Vielleicht besser, wenn du die Augen zumachst.« Er trat hinter mich. »Der ist ein bisschen dreckig.«
Ich kniff die Augen zusammen, als er den Fetzen um meinen Kopf band. Wenigstens war es jetzt leichter, die Tränen zurückzuhalten.
Schwere Schritte, gedämpfte Stimmen. Die ersten Laute, die ich seit ungefähr einer Stunde hörte. Ich hatte die Minuten gezählt, aber bei zwanzig und etwas war ich aus dem Takt gekommen, weil jemand geniest hatte. Ich hoffte, es sei Fjeso, obwohl das eigentlich keine richtige Rache war.
Die Tür ging auf und das Rumpeln wurde lauter.
»Warum habt ihr so lang gebraucht?«, fragte der Onkel.
»Es ist eine Truhe. Sehr schwer«, sagte Resik, gefolgt von einem lauten Knall. »Und da draußen ist ein Haufen Leute, die brüllen und Zeug schmeißen. Auf den Straßen ist die Hölle los.«
Hände packten meinen Arm, rissen mich auf die Beine und schleppten mich zu - ich nehme an - der Truhe.
»Hochheben«, sagte Fjeso und Hände hoben meine Füße. Ich wehrte mich, aber sie packten mich nur fester. Ich streckte die Hände aus und fand Haut, vielleicht einen Arm, und drückte meinen schmerzenden Kopf dagegen. Ein Mann schrie auf und ließ mich in etwas fallen, das nach Fisch und Schimmel stank.
Etwas traf mich gegen den Kopf, als ich mich aufrichten wollte, und alle lachten.
»Hinlegen!«, befahl Resik, als wäre ich ein Hund.
Der Deckel wurde zugeknallt und das wenige Licht, das unter der Augenbinde zu mir drang, verlosch. Ich konnte meine Hände soweit bewegen, dass ich die Augenbinde wegschieben konnte. Dann riss ich den Knebel aus dem Mund. Mein Mund war staubtrocken, aber sobald ich die Menschenmenge hörte, würde ich mir die Lunge aus dem Leib brüllen.
Ein Ende der Truhe hob sich, und ich stieß mir den Kopf an. Die andere Seite hob sich gleich darauf ebenfalls, und wir bewegten uns. Nach wenigen Minuten hörte ich gedämpfte Geräusche, die mit jedem Schaukeln lauter wurden. Ich schwankte im Rhythmus der Truhe und rollte gegen die Seiten, als wir die Vorderstufen hinuntergingen. Ich hatte nie unter Seekrankheit zu leiden, aber die Hitze und das Schwanken setzten meinem Magen zu.
Ich lauschte und spitzte die Ohren, ob ich Stimmen von Menschen hören konnte, die mir vielleicht helfen würden, wenn ich rief. Ich betete, dass die anderen in Sicherheit und auf dem Weg zu Barnikoff waren.
Stimmen riefen - befehlende Stimmen. Sicher Soldaten oder Wachen. »Stellt das ab, sonst werdet ihr festgenommen«, befahl jemand, der ein Soldat sein musste.
»Hilfe!« Ich trat um mich und hämmerte mit den Fäusten gegen die Seiten der Truhe. »Hilfe!«
Die Truhe landete hart auf dem Boden. Ich stieß und brüllte weiter, bis eine Sechs-Zoll-Klinge durch den Deckel kam und mich an der Wange verletzte. Ich presste den Kopf beiseite und drückte die Hand auf die Wunde. Einen Herzschlag später wurde die Klinge herausgezogen.
»Beim nächsten Mal ramm ich sie dir in die Seite«, sagte Fjeso durch das Loch. Ich presste mich flach mit dem Rücken gegen die Truhe. »Ich will das Geld nicht riskieren, andererseits - Köpfe versuchen nicht zu fliehen.«
Ich verhielt mich still. Ganz ruhig, trotz des Brennens in meiner Wange und des Bluts, das mir über den Hals tropfte. Der Geruch des Gerbens von Leder drang durch die Ritzen der Truhe und vermischte sich eklig mit dem von Fisch und Schimmel. Der Fischgeruch wurde stärker. Pferde wieherten, Holz knarzte und Wellen schlugen gegen das Pfahlwerk des Docks.
Wir befanden uns offenbar in der Herberge auf den Docks, der einzigen mit Stallungen. Wenn man nicht zum Militär gehörte oder sehr reich war, waren weder Pferde noch Wagen auf den Inseln erlaubt. Allerdings hinderte das die Leute nicht, sie zu ihnen
Weitere Kostenlose Bücher