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Das blaue Feuer - Roman

Titel: Das blaue Feuer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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überzusetzen. Der Herbergsbesitzer Gilnari verdiente sehr gut daran, beides in seinen Ställen unterzubringen.
    Sobald ich in ihrer Kutsche und von der Insel fort war, hatte mein letztes Stündlein geschlagen. Ich musste fliehen, ehe sie an Bord der Fähre gingen.
    Bitte, heilige Saea, tu etwas. Ich habe keine Ideen mehr.
    Stimmen drangen an mein Ohr, aber ich konnte nichts verstehen. Wahrscheinlich wendete der Onkel die Kutsche und schirrte die Pferde an.
    »Ich helfe dir dabei«, rief jemand.
    »Nein, schaff ich selbst«, sagte Fjeso und schlug gegen die Seite der Truhe, gegen die ich meinen Rücken presste. »Wenn du schreist«, murmelte er gegen das Loch in der Truhe, »dann stirbt jeder, der dir helfen will, ebenfalls.«
    Im nächsten Moment grunzte jemand, und ich schwankte. Die Truhe glitt gegen ein Ende und knallte gegen meinen Kopf. Dann ein heftiger Stoß, Schieben und alles war wieder im Gleichgewicht.
    Mein Herz und meine Hoffnung sanken. Jetzt war ich in der Kutsche.
    »Kann sie da drin atmen?« Die Stimme war gedämpft, klang aber wie die des Onkels.
    »Ich hab ihr ein Luftloch gemacht«, antwortete Fjeso.
    »Sie wird mehr als eins brauchen.«
    Die Kutsche setzte sich rumpelnd in Bewegung. Dann bohrte sich die Klinge durch den Deckel - zwei, drei, vier Mal - und noch einmal vorn. Ich drückte mich noch mehr gegen eine Seite.
    »Ist das genug?«
    »Mach sie lieber noch ein bisschen größer.«
    Wieder kam die Klinge und drehte sich in jedem Loch, bis Lichtstrahlen hereindrangen. »Glücklich?«
    »Ja, sie wird nicht verbrutzeln. Gibt das nicht eine Sauerei da drinnen?«
    »Nicht, wenn wir sie nicht füttern.«
    Trotz der zunehmenden Hitze in der Truhe zitterte ich. Über die Straße waren es vier, vielleicht fünf Tage bis Baseer. Ich hatte schon drei Tage überstanden, ohne etwas zu essen, aber nie länger. Ich kannte Menschen, die das gekonnt hatten, also würde ich es wohl auch schaffen, aber wie lang würde ich ohne Wasser überleben?
    »Alle an Bord der Fähre!«
    »Wird auch Zeit«, meinte der Onkel. »Heilige, mein Kopf bringt mich um. Weck mich, wenn wir auf dem Festland sind. Ich hau mich erst mal aufs Ohr.«
    Eine Tür quietschte und schloss sich. Dann fuhr die Kutsche an.
    Die geschifteten Schmerzen. Wie lang würde es dauern, bis es das Blut des Onkels verdickte und seinen Körper auszehrte? Bei Danello und seinen Brüdern hatte es nur einen Tag gedauert, bis sie krank wurden, nachdem ich die Schmerzen des Vaters auf sie übertrug, aber die waren damals sehr viel stärker gewesen. Wie lange also, bis der Onkel krank wurde?
    Wie lange, bis er starb?
    Hoffnung und Schuld mischten sich zu einem quälenden Knoten in meinen Eingeweiden. Ich hatte ihn so sicher getötet, als hätte ich ihn erstochen. Aber das wusste er nicht. Es erschien mir unwahrscheinlich, dass einer von ihnen zu einem Heiler ging. Vielleicht zu einem Schmerzenshändler, aber ich bezweifelte, dass einer auf dem Weg lag.
    Ich sollte mich nicht schuldig fühlen. Er hätte mich innerhalb eines Herzschlags umgebracht und meinen Kopf allein für das Geld abgeschlagen. Aber dennoch! Heiler nahmen keine Leben.
    Die Schreie der Menge hallten mir wieder in den Ohren: »Abschaum! Mörderin!«
    Ich war keine Heilerin und würde nie eine sein. Mein Pfad verlief anders: Heldin oder Mörderin.
    Die Heiligen mögen mir verzeihen, aber ich fühlte mich mehr als letztere denn die andere.
 
    Mein Magen rollte mit jedem Schwanken. Mir war übel von der Hitze und der Enge in der Truhe. Ich konzentrierte mich aufs Atmen - ein, aus, ein, aus. Ich gab mir größte Mühe, mich nicht zu übergeben. Ich glaubte nicht, dass Fjeso die Truhe aus irgendeinem Grund öffnen würde, ganz gleich, welche Geräusche ich machte oder welche Gerüche ich verbreitete.
    Zügel schnalzten, und das Schwanken wurde schlimmer, als die Pferde schneller wurden. Vielleicht blieb ich am Leben, wenn wir schneller nach Baseer gelangten, aber es machte die Fahrt erheblich unbequemer. Ich prellte mir die Seiten, schlug gegen meine Blutergüsse. Die Wunde in der Wange öffnete sich wieder. Jeder Zoll schmerzte. Arme und Beine brannten, weil sie wie schmutzige Wäsche umhergeschleudert wurden, und ich bezweifelte, dass ich meinen Rücken je wieder gerade machen könnte. Zumindest würde ich über Schmerzen verfügen, die ich schiften konnte, wenn sie mich herausließen.
    Und mehr Menschen töten?
    Diesen Gedanken schluckte ich schnell herunter. Das waren keine Menschen, das waren

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