Das blaue Feuer - Roman
Resik schloss schnell den Deckel der Truhe. Doch vorher hatte ich noch den hasserfüllten Blick gesehen, den er Fjeso zugeworfen hatte.
Wieder öffnete sich die Klappe, und fahles Sonnenlicht schien herein. Die Luft schmeckte feucht und sauber. Das Schwert, das auf mein Gesicht gerichtet war, glänzte hell.
»Du stehst jetzt auf, kommst aus der Truhe raus und heilst meinen Onkel.« Resik behielt mich im Blick, aber er zuckte, als wolle er in Wirklichkeit woanders hinschauen.
»Wo ist Fjeso?«
»Mach dir wegen dem keine Sorgen, tu nur, was ich sage.«
Ich setzte mich auf. Meine Muskeln brannten und kribbelten, als das Blut hineinschoss. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich sog tief die Luft ein, bis ich klar sehen konnte.
»Schnell!«
»Ich war seit Tagen in dieser Truhe zusammengefaltet«, sagte ich und hielt mir mit den gebundenen Händen die Seite. »Ich kann mich kaum bewegen.«
Stehen wäre noch schwieriger gewesen, aber das war von Vorteil für mich. Ich musste nicht so tun, als fiele ich aus der Truhe. Ich ließ mich seitlich fallen. Die Truhe stürzte hinter mir um, als ich dicht vor Resiks Füßen landete.
Seinen bloßen Füßen.
Ich nehme an, dass er sich so von Fjeso weggeschlichen hatte.
Ich packte seinen Fußknöchel mit beiden Händen und drückte. Ich schickte all meine Schmerzen in seinen Körper. Er schrie auf und ließ die Truhe fallen, deren Seite brach und in Stücke ging. Seine Beine versagten ihm den Dienst, und er riss den Deckel aus den Angeln, während er sich bemühte aufzustehen.
Urplötzlich funktionierten meine Beine hervorragend. Ich konnte weder Hunger noch Durst schiften, deshalb war mir noch leicht schwindlig, aber die Schmerzen waren verschwunden.
Ich ergriff das Schwert und klemmte es, mit der Spitze nach oben, zwischen die Knie. Dann fing ich an, meine Fesseln durchzusägen.
»Es tut so weh«, stöhnte Resik, in einem Ball zusammengerollt.
Ich schaute ihn nicht an, aber das half nichts gegen die Schuld. Er hatte mich töten wollen, genau wie sein Onkel. Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn beide starben?
Ich schob diesen quälenden Gedanken schnell weg, als die Seile herabfielen. Wir hielten an einer Seite der Straße, von wo aus ich nichts außer wogenden Feldern sehen konnte. Keine Kanäle um hineinzuspringen, keine Gasse, nicht einmal ein Baum, hinter dem ich mich hätte verstecken können.
»Resik?«, rief Fjeso.
Ich sprang auf. Auf der anderen Seite der Kutsche kräuselte sich ein wenig Rauch empor. Ein Lagerfeuer. Wenn sie lagerten, waren die Kutsche und der Kutschbock wahrscheinlich leer.
»Lass dich nicht wieder mit dem Mädchen ein.«
Ich ging vorsichtig mit gezücktem Schwert um die Kutsche herum und warf einen Blick auf den Kutschbock. Leer. Die Pferde grasten ungefähr fünfzehn Fuß entfernt. Sie waren an einen Pfahl gebunden. Die Kutsche zu stehlen, konnte ich vergessen. Wie schwierig war es, die Pferde zu reiten? Vielleicht konnte ich eines stehlen. Allerdings sah ich kein Zaumzeug, nur Stricke um die Hälse.
»Resik? Antworte mir!«
Fjeso war inzwischen näher gekommen und war das einzige Hindernis zwischen mir und der Freiheit. Meine Hände zitterten und die Schwertspitze ebenfalls. Ich hatte nur eine einzige Chance, ihn zu überrumpeln. Ich erinnerte mich an alle Fechtübungen aus Danellos Unterricht. Stoßen, parieren, Ausfall.
»Bist du - oh, Hölle.« Metall knirschte - ein Schwert wurde aus der Scheide gezogen. »Wo ist sie hin?«
Resik stöhnte und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte.
Ich packte das Schwert fester und machte mich für einen Angriff bereit.
Fjesos Schatten tauchte zuerst um die Kante der Kutsche auf, dann ...
Peng!
Ein scharfer Schmerz traf mich in die Kniekehlen, ich fiel vorwärts und ließ das Schwert fallen. Es landete mit der Spitze voran im Gras und schwankte hin und her.
»Guter Schlag!«, sagte Fjeso und riss das Schwert aus dem Boden.
Ich rollte mich zur Seite. Hinter mir stand ein anderer Mann, eine drei Fuß lange Stange lag locker über seiner Schulter. Der Fahrer der Kutsche? »Fessle sie!«, befahl Fjeso.
»Ich? Ich fasse sie nicht an.«
»Wir können sie nicht ungefesselt lassen.«
»Steck sie wieder in die Truhe.«
»Geht nicht. Resik hat sie zerbrochen, der Idiot.«
»Na gut.« Der Fahrer ging zur Kutsche und wühlte darin herum. Dann kam er mit einem aufgerollten Seil. »Wenn sie dieses Schift-Ding noch mal macht, sorge ich dafür, dass sie es noch viel
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