Das blaue Haus (German Edition)
mich.“
„Weiß Ragee das alles?“
„Ja, Ragee weiß alles. Julie, hör bitte auf.“ Dane sah ihr flehend in die Augen. Hinter seinen Augen verbarg sich der Zorn, aber sie hörte nicht auf: „Er hat immer schwierige und außergewöhnliche Fälle geliebt. Du erscheinst mir aber gar nicht so auffällig. Es gibt viele Männer und Frauen, die dieses Problem haben. Denk doch nur mal an Hollywood, wo diese Krankheit überall gastiert.“
„Ich bin anders. Ich bin schwierig genug für Ragee.“
„Kann ich an deiner Therapie wenigstens teilhaben, dir zu helfen versuchen?“
„Nein!“ Julie! Hör auf!, flehte Dane innerlich und begann sich auf die Lippen zu beißen. „Ich bin ihm heute etwas schuldig. Und ich will es nicht verpatzen. Er möchte, dass heute einer von uns verschwindet. Er will uns nicht mehr zusammen sehen. Ich werde gleich das Haus verlassen und erst dann wiederkommen, wenn du zurück nach Junction City gefahren bist.“
„Wie willst du feststellen, wann ich fahre?“, fragte sie und lächelte ihm dabei listig zu.
„Ich werde hin und wieder vorbeikommen.“
„Wo willst du denn hin?“
Dane kam hoch. Die Wut ließ ihn nicht mehr auf dem Stuhl sitzen. Er schrie: „Unten in der Stadt gibt es ein YMCA! Da werde ich hingehen!“
„Bist du wirklich so mittellos?“
„Vollkommen!“
„Wäre es nicht einfacher, ich würde direkt gehen?“, fragte sie leise.
Sie weiß nicht, wen sie vor sich hat, dachte Dane und biss etwas Blut aus seiner Lippe. Er nickte kaum merkbar, und Julie erhob sich ebenfalls von dem Frühstückstisch. Sie sagte: „Es tut mir leid, Alan. Ich weiß, ich bin manchmal etwas nervig. Ich werde gleich packen und dann heimfahren.“ Sie lächelte dabei, und Dane wusste nicht, ob er ihr das ohne weiteres glauben konnte. „Wir alle brauchen Abstand“, sagte er.
Sarah, dachte sie und nickte noch einmal.
„Gehen wir gleich noch etwas spazieren?“, fragte sie vorsichtig. „Bevor ich fahre, meine ich.“
Dane nickte unsicher, und sie verschwand nach oben, um ihre Sachen zu packen, sagte sie und tat es – unter anderem.
Sarah, dachte sie, als sie ihre Zimmertür hinter sich verschloss und in ihren Papierkorb griff.
Als Dane und Julie die Straße hinuntergingen, lehnte ihr Kopf an seiner Schulter, und ihre rechte Hand lag um seine Taille. Es war ihm nicht recht, überhaupt nicht, aber wenn sie danach endlich Ruhe geben würde. Sie gingen gemeinsam in die Felder. Es war ihm unangenehm. Doch sie würde gleich fahren – direkt nach diesem Spaziergang. Das würde er aushalten. Dachte er ...
*
Ragee fror, seitdem er das Haus verlassen hatte. Sein Herz schmerzte wieder und schlug unregelmäßig. Immer wieder diese Rhythmusstörungen. Den Bus hatte er verpasst und wartete weitere dreißig Minuten auf den nächsten. Er versuchte, seine Füße warm zu treten, doch es war vergeblich. Selbst die dicken Ledersohlen verhinderten nicht das Eindringen der Kälte in seiner Schuhe. Er verfluchte Dane und auch Julie und wusste nicht, wen er mehr verfluchen sollte. Er hätte es wissen müssen, wie sehr sie auf Dane reagieren würde. Er sah gut aus, war zurückhaltend und charmant noch dazu. Doch am meisten waren es seine dunkelbraunen Augen. Julie hatte immer schon etwas für dunkle Männer übrig gehabt. Herr Gott, wie hätte er das alles wissen müssen! Auch, dass sie ihn nicht in Ruhe lassen würde. Ragee war einfach zu locker mit den ersten Annäherungsversuchen von Julie umgegangen. Er kannte Julie nun schon sechsundzwanzig Jahre. Er hatte sie mit Shirley großgezogen. Ihr Selbstvertrauen ging manchmal weit über ihre Vernunft hinaus. Es gab Ziele, die verfolgte sie kompromisslos und brutal – genau wie ihr Examen und ihre Einstellung im Krankenhaus. Julie war stark und lebenslustig, so wie Ragee sich immer eine Tochter gewünscht hatte. Sie war das gelungene Ergebnis seiner Erziehung, glaubte er. Sie setzte sich schon immer über die Regeln, die ihr unnütz erschienen, hinweg, und das war auch gut so. Sie würde es weit bringen, aber niemals mit Dane.
Jetzt fühlte Ragee sich mitschuldig an dieser Situation. Er liebte Julie und Dane, doch wenn er über beide nachdachte, war es Julie, die er mehr liebte.
Beide mussten heute eine Entscheidung treffen. Es war gut, dass sie alleine miteinander waren und dies unter sich ausmachen konnten.
Ragee erschrak plötzlich bei dem Gedanken! Was wusste er wirklich über Dane? Würde er Julie anfassen, wenn er unter Stress geriet – anders anfassen? Ragee
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