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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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musste schlucken und sah ängstlich in den Himmel.
Der Bus kam, und der alte Mann stieg zitternd ein und verdrängte seine Panik. Gott sei Dank war es warm im Bus.
Er suchte in der Stadt ein Frühstückscafé auf, in dem er zwei widerlich schmeckende Tassen Kaffee zu sich nahm. Der Kaffee war bitter und nicht annähernd dem ähnlich, den er seit Wochen mit Dane jeden Morgen trank. Dann ging er in die öffentliche Bibliothek der Stadt.
Mrs. Lee, eine kleine untersetzte Asiatin, sah ihn fragend an, als er nach Büchern fragte, die sie noch nie aus dem Regal geholt hatte. Mrs. Lee fand schließlich zwei Bücher, die der alte Mann nickend an sich nahm. Er zog sich in eine ruhige Ecke zurück, um ungestört lesen zu können.
Es wurde Nachmittag, bis seine Augen zu schmerzen begannen und er die Bücher erschöpft wieder schloss. Er sah zum Fenster hinaus und stellte fest, dass es keinen Neuschnee seit heute Morgen gegeben hatte. Doch es sah kalt und ungemütlich aus, und er war dankbar für die gut geheizten Räume der Bibliothek. Aber noch dankbarer war er für den Service von Mrs. Lee, die ihm lächelnd ein Glas Wasser brachte. Er lächelte sie freundlich an. Sie reichte ihm eine Zeitschrift dazu. Ragee las in großen Buchstaben das Wort People und sah sie fragend an. Sie zeigte auf ein paar Hinweise auf der Titelseite, und Ragee las: Der Mensch im Psychopathen . Mrs. Lee zeigte auf seine zugeschlagenen Bücher und nickte freundlich. Ragee verstand. Er nickte ihr dankend zurück, und Mrs. Lee ging wieder zu ihrem Arbeitsplatz. Eigentlich war er zu erschöpft, um sich noch mit dieser Zeitung auseinanderzusetzen, doch andererseits war es sehr nett von der Bibliothekarin gewesen, ihm diesen Artikel zu bringen. Vielleicht sollte er doch einmal hineinschauen und schlug die Seite 81 auf.
Der Name Dr. Jim Clark war ihm durchaus bekannt, doch er konnte ihn im ersten Moment nicht zuordnen. Erst der nachstehende Artikel brachte ihm Klarheit.
Dr. Jim Clark aus Kalifornien gab bekannt, dass er sich in einer biografischen Aufarbeitung des Lebens von Dane Gelton befand. Als mitunter bester Freund hatte er das Wesen, das die Medien als Monster bezeichneten, erlebt und war bereit, vieles bekannt zu geben, was die Öffentlichkeit noch nicht wusste, auch das, was den Menschen in ihm trotz psychopathischer Erkrankung ausmachte. Clark wollte beides so verständlich wie möglich darstellen, aber auch einen Einblick dahin gehend verschaffen, wie die Gesellschaft ihren Teil dazu beigetragen hatte. Sicherlich nicht als Entschuldigung geschehener Taten, aber als Einhaltsgebietung, diese Art von Menschen nicht mehr als Menschen bezeichnen zu wollen.
Das Buch sollte weiterhin ein Bewusstsein für die eigene Erziehung von Kindern vermitteln – und die Wichtigkeit der Liebe, vor allem aber die Gefahr einer Kindesvereinsamung und deren Folgen.
Ragee war äußerst überrascht und wurde durch den Artikel sehr unruhig. Dane sollte sich also bald als ein Medienereignis entpuppen, so stellte es zumindest der Artikel dar. Der Bericht war sehr nett geschrieben und sprach zweifellos für den menschlichen Teil in Dane, aber er würde auch hinsichtlich seiner vollbrachten Taten einiges in Wallung bringen. Wieder wurde Ragee heiß. Es war der Gedanke, dass Dane gerade bei ihm im Haus ein und aus ging und er überhaupt nicht wusste, was sich da über ihn zusammenzubrauen begann. Die erhoffte Ruhe mit ihm würde sicherlich bald zu einem nervigen Versteckspiel werden, vor allem mit Julie. Es war anzunehmen, dass schon bald ein paar aktuelle Fotos von Dane in der Zeitung erscheinen würden, Fotos, die Dane unmissverständlich entlarven würden, vor Julie, vor den Händlers und vor allen, die ihn in der Umgebung schon einmal gesehen hatten.
Ragee spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er nahm seine Brille ab und suchte nach einem Papiertaschentuch. Er fand keines, er hatte keines mit. Er wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers über die Stirn und schrak hoch, als ihm jemand auf die Schulter klopfte. Undeutlich erkannte er die Silhouette vom Mrs. Lee, die ihm etwas Weißes entgegenhielt – ein Taschentuch.
„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Mrs. Lee besorgt.
Ragee winkte kopfschüttelnd ab und polierte seine Brille. „Es geht schon“, sagte er räuspernd. „Es ist wohl die Anstrengung. Ich habe zu viel gelesen.“ Er setzte die Brille wieder auf und versuchte, ihr freundlich zuzunicken. Sie lächelte gequält zurück und ging. Ragee wischte sich die

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