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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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plötzlich an die alten Zeitungsdokumentationen über Dane. Wie oft war Dane mit seinen Gedanken Amok gelaufen. Nun war er es selbst, der Amok lief. In seiner Verzweiflung rief er die Händlers an. Er musste mit irgendjemanden reden, über irgendetwas.
    *
    Zuerst war Julie mit Dane Arm in Arm durch die Straßen geschlendert. Es war Danes Friedenswille gewesen, der es erdulden ließ, auch, dass sie ihren Kopf dabei an seine Schulter lehnte. Erst in den Feldern löste sie sich von ihm und rannte einige Meter lachend voran, ein verspieltes Mädchen, das albern durch den Schnee tappte. Sie schrie plötzlich: „Wir werden jetzt alles aussprechen!“, und lachte dabei übermütig. Dane blieb stehen. Was redete sie da? Er konnte nicht lachen, auch nicht laufen. Ihm war nach gar nichts zumute. Er sehnte sich nur noch nach dem Augenblick, an dem sie umkehren und Julie heimfahren würde. Doch er irrte sich gewaltig, wenn er glaubte, diesen Augenblick ungeschoren erwarten zu können.
Julie hüpfte weiter im Schnee herum und lachte. Sie war nie von dem Wort aufgeben beherrscht worden – und schon gar nicht, wenn sie einen Mann so abgöttisch liebte, wie diesen, dem sie gerade davonhüpfte. Sie lief weiter in die Felder hinein, sprang und sang. Dane kam nur langsam hinter ihr her. Er beobachtete sie und wusste plötzlich, dass sie etwas im Schilde führte.
„Sprich!“, schrie er ihr wütend hinterher und begann, ihr nachzurennen. Sie sah sich um und schrie vor Vergnügen. Sie rannte schneller und versuchte, ihm zu entkommen. Der hohe Schnee machte die Jagd nicht leicht. Dane war schnell, schneller als sie und holte sie schließlich ein. Er packte sie an den Schultern und riss sie brutal herum. Sie lachte weiter, er schrie: „Sprich!“
Obwohl sein Griff schmerzte, bebte ihr Humor ungebrochen weiter. Erst mit einer Ohrfeige erstarb ihr Lachen.
Er ließ sie los, sie starrte ihn an. Gott, er hatte sie geschlagen! Sie konnte ihm die Ohrfeige nicht verübeln und doch hatte sie nicht damit gerechnet. Seine Augen sahen plötzlich so anders aus – böse.
Julie schaute sich benommen um – nichts als Schnee. Sie zog ihre Handschuhe aus und zeigte ihm die Innenfläche ihrer Hände. Sie waren schwarz – von einem Bleistift geschwärzt.
„Siehst du das?“, piepste sie. „Das ist Bleistift.“ Sie wurde ernst.
Dane fühlte, wie sein Adrenalin anstieg. Sie hatte seine Zeichnung entlarvt. Er ließ von ihr ab und sackte in den Schnee. „Seit wann weißt du es?“, fragte er.
„Seit eben“, sagte sie und kicherte dabei krächzend. Jetzt sackte auch sie in den Schnee.
„Wie?“, fragte er zitternd.
Sie sagte nur ein Wort: „Sarah.“
„Ja, Sarah“, wiederholte er. Er hatte ihr den Schlüssel direkt in die Hand gegeben. Und sie hatte sofort seine geheimnisvolle Kammer aufgeschlossen. Hatte Ragee ihn nicht gewarnt? Sei vorsichtig, was du sagst, sie ist sehr aufmerksam.
„Und deine Augen“, sagte Julie ergänzend.
Dane verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Wie hätte er auch seine Augen verändern können?
„Ich wusste ja, dass Alan nicht zu dir passt“, sagte Julie leise und begann, sich mit dem Schnee die Bleistiftschwärze von ihren Handflächen zu reiben.

Es war schon komisch gewesen, als er zum ersten Mal den Namen Sarah erwähnt hatte. Aber noch komischer war es gewesen, als sie danach die Zeitung wieder aus dem Papierkorb genommen und den ganzen Artikel über diese Sarah noch einmal gelesen hatte. Da erst wurde ihr bewusst, in wen sie sich wirklich verliebt hatte. Doch war er nicht tot? Wie konnte er das sein, wenn er doch unten auf einem Stuhl von Ragee saß? Er war nicht tot, das war es. Er war der Psychiatrie entkommen. Das war es auch, was Ragee so an ihm faszinierte. Nicht das Problem mit seiner Frau, nein, es war ein ganz anderes Problem, ein gigantisches, ein wahnsinniges, aber auch ein unwiderstehliches.
Jetzt passte endlich alles zusammen. Dieser Dane Gelton war niemals in der Psychiatrie gestorben, so, wie es die Medien bekannt gegeben hatten. Er lebte – hier bei Ragee.
Julie hatte die Zeitung zu Boden sinken lassen, sie musste alles erst einmal verdauen und versuchte, sich zu erinnern, wie Ragee ihn kennengelernt hatte. War es nicht in ihrem Krankenhaus gewesen? Dieser Alan Gampell war mit dem Notarztwagen eingeliefert worden, ohne Papiere, ohne alles, nur in einer verkommenen Kleidung. Er hatte sich auf der Flucht befunden, kam es Julie in den Sinn. Dabei hatte er sich bei dem kalten Wetter eine

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