Das blaue Haus (German Edition)
hatte. Lichterglanz, Schleifen und Kugeln fesselten seine Blicke. Die einfachen und doch so wichtigen Dinge der Liebe in dieses kleine Schaufenster gepresst. Was war schon das Geld gegen all diese Gefühle von Wärme und Geborgenheit. Sarah war eine von denen, die dieses ausstrahlte. Sie hatte keine materiellen Werte gebraucht, um das wirklich Wahre zu erkennen. Er war der materielle Teil gewesen. Sie hatte ihren Gefühlen immer Zeit gelassen, wunderbare Momente ausgekostet und all das andere dafür beiseite geschoben. Eine Gabe, die Dane nie besessen hatte. Er besaß andere Gaben – die Gaben der Präzision und Schnelligkeit. Nichts durfte stehen bleiben oder einschlafen. Sein Lebenssinn lag in dem ständigen Wechsel seiner Tätigkeiten. Ende und Anfang lagen bei ihm so nahe beieinander, dass Sarah nicht selten daran verzweifelt war. In Ruhe zu verharren war ihm ein Gräuel. Umso mehr hatte er Sarah eingeatmet, die versucht hatte, ihn zu stoppen und all diese Dinge zu lehren. Vergeblich, wie beide bald festgestellt hatten.
Seit Dane in die Psychiatrie eingewiesen worden war, arbeitete Sarah hier. Sie hatte ihm bei ihren Besuchen in der Klinik oft erzählt, wie gut es ihr tat, sich dort mit Kollegen und Kunden zu unterhalten und zu lachen. Der Tag fraß sich nicht mehr so in sie hinein. Jeder hatte sicherlich seine Probleme, aber es waren normale Probleme, wie sie in Partnerschaften und in den Familien an der Tagesordnung zu sein hatten. Nur selten sprach Sarah von Dane und ihren Problemen. Und auch nur dann, wenn man sie ganz gezielt darauf ansprach. Sie hörte lieber zu und half mit ihrem Verständnis und einem lieben Lächeln. Sie war eine gute Kollegin und eine hervorragende Kundenbetreuerin. Ein Gewinn für das ganze Geschäft.
So stand der Mann in der grünen Wolljacke vor der Dekoration des Flowers Paradise und ließ deprimierende Gedanken an sich vorüberziehen.
Etwas bewegte sich im Inneren des Geschäfts. Dane erschrak und sprang flink zur rechten Seite des Schaufensters. Durch die Dekoration hindurch lugte er vorsichtig in das Innere des Geschäfts und sah die Theke. Eine fremde Frau mit einem frisch gebundenen Hochzeitsstrauß kam aus dem Hinterzimmer und legte ihre Arbeit auf die Theke. Sie sah die Bewegung hinter der Scheibe und Dane dabei direkt in die Augen. Beide erschraken. Dane wich aus ihrem Blickfeld, und die Frau befestigte irritiert ein paar Schleifen an dem Strauß. Sie vergaß den Mann hinter der Scheibe wieder, der so komisch geschaut hatte.
Dane war aufgebracht und lehnte mit dem Rücken an der Wand neben dem Schaufenster. Er bekam kaum Luft. Hatte sie ihn erkannt? Es war nicht undenkbar, dass die Kollegen von Sarah über ihn informiert waren. Wahrscheinlich hatten sie sein Bild unzählige Male in der Zeitung gesehen – als Mörder.
Dane spürte sein Herz wieder rasen. Was sollte er tun? Er wurde noch mutiger.
Sein Blick taxierte das Umfeld des Geschäfts und sicherte damit seine Unauffälligkeit ab. Dann bewegten sich seine Beine und trugen ihn direkt in das Blumengeschäft hinein.
„Kann ich Ihnen helfen?“, wurde er von der Seite plötzlich angesprochen und erschrak fürchterlich dabei. Eine Zwanzigjährige mit langem braunem Haar lächelte ihn an.
„Ja, eh ...“ Dane räusperte und versuchte sich gelassen zu zeigen. „Ja, sicher. Ich suche diese Frau mit den blonden kurzen Haaren. Sie hat mir letzte Woche so einen schönen Strauß zusammengestellt. Ist sie da?“ Was tat er nur?
„Das tut mir leid, Sir, aber Mrs. Gelton ist seit voriger Woche nicht mehr bei uns. Ihr Mann ist verstorben, da hat sie gekündigt.“
„Was?“ Dane erschrak. Sarah weg?
„Sir, kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
„Wo ist sie denn hin?“
„Sir?“
„Wo sie hin ist?“
„Sir, ich verstehe Ihre Frage nicht. Wollen Sie denn nicht einen Blumenstrauß kaufen?“
Dane fuchtelte mit den Händen ablehnend vor sich herum und suchte eilig den Weg ins Freie. Er glaubte zu ersticken. Was hatte er sich dabei gedacht, so unverfroren nach ihr zu fragen und sogar die Gefahr zu riskieren, ihr direkt zu begegnen? Planlos und tollpatschig hatte sein Auftritt gewirkt und ihm klargemacht, wie haltlos er ... ja ... wie verloren er seit der Zeit in der Psychiatrie war. Und Sarah war weg – weg! Vom Erdboden verschluckt. Zum Telefonieren fehlte ihm das Geld, wie ihm so vieles fehlte. Eine Sitzbank vor dem Geschäft bot ihm Platz, und der Schnee deckte ihn langsam zu.
Dezember 1996. Kansas City. Richmond Avenue. Bei
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