Das blaue Haus (German Edition)
grauen Asphalt.
Die Kälte drang erneut durch seine Kleidung. Eben noch hatte er geschwitzt – bei Burger King – im Schlaf. Jetzt trocknete der Schweiß, und es begann, ihn wieder erbärmlich zu frieren.
Die Stadt war leer gefegt. Ein leichter Sturm wirbelte unzählige Schneeflocken ziellos herum. Der schwer behangene Nachthimmel kündigte noch stärkeren Frost an. Die Temperaturen sanken weiter unter den Gefrierpunkt.
Dane fror und verfluchte lautstark seine Heimatlosigkeit. Er war seinen Freunden so nahe und doch so fern. Zitternd zählte er sein Geld – ganze vierunddreißig Dollar waren ihm geblieben. Sollte er wieder zurück zum Sunny Inn? Nein, das wäre unklug. Er durfte nirgends ein zweites Mal gesehen werden. Aber Kansas City war groß, und durch seinen Bart konnte er nicht allzu schnell erkannt werden. Vielleicht war da doch eine kleine Perspektive. Die Situation war allemal besser als vor sechs Tagen.
Er wanderte nach Westen, erneut in Richtung Topeka und bemerkte plötzlich, dass er den Stadtausgang bereits hinter sich gelassen hatte. In weiter Ferne sah er eine Leuchtreklame und fand ein Motel für elf Dollar pro Nacht mit Dusche und WC. Und laut Werbeaushang zum Frühstück sogar frische Donuts und Kaffee.
Die Dame dort nahm ihn kaum wahr. Er nahm den Schlüssel und ging sein Zimmer suchen.
Kurz nach acht am nächsten Morgen machte ihn das erste Grau des Tages wach. Sein Schlaf war unruhig gewesen. Er dachte an die erste Dusche nach so vielen Nächten. Sein Hals schmerzte, und er musste tief in die Lungen hineinhusten. Ihm war heiß – heißer als sonst. Die Dusche erschien ihm wie ein Geschenk und beruhigte seinen Reizhusten. Die Halsschmerzen ließen etwas nach, als sich der heiße Dampf in seine Atemwege drängte. Er reinigte seine Kleidung weitgehend und hängte sie vor die Klimaanlage. Das Wasser aus der Leitung schmeckte ekelhaft.
In der Schublade einer Kommode fand er ein Telefonbuch. Sarah. Sie war ihm in der Nacht nicht aus dem Kopf gegangen. Wo nur konnte sie wohnen? Er blätterte im Telefonbuch herum und stellte fest, dass dort nur ihre alte Adresse in Valley Falls/Topeka stand.
Du darfst Sarah nicht finden , raunte es durch den Raum. Dane erschrak. Wo kam die Stimme her? Ihm war heiß. Verbittert riss er das Blatt mit seiner Adresse aus dem Telefonbuch und ließ es in tausend zerfetzten Teilen durch das Zimmer fliegen. Wie Schnee legten sich die Papierfetzen auf Bett und Boden. Er riss noch mehr Blätter entzwei. Dann griff er zum Telefonhörer und wählte. Es ertönte ein Freizeichen. Siebenmal, achtmal, neunmal. Danes Herz raste. Sarah, bitte! Nur einmal – einmal deine Stimme. Beim zehnten Mal schmiss er wütend den Hörer auf das Gerät. Jetzt waren nicht einmal mehr Jim und Johnathan da.
Wütend zog er sich an und holte Donuts und Kaffee. Ein Schild an der Innenseite seiner Zimmertür wies ihn darauf hin, das Zimmer bis zehn Uhr wegen der Zimmerreinigung zu verlassen.
Als er in einen Donut biss, sah er bereits das Zimmermädchen mit dem Reinigungswagen an seinem Fenster vorbeieilen. Er trank den bitteren Kaffee angewidert und verließ das Zimmer. Zurück blieben nur die Papierschnipsel.
Das Zimmermädchen arbeitete bereits im Zimmer nebenan.
Er ging zurück in die Stadt. Der Schneesturm verschluckte jede Atmosphäre. Eisschlieren und Schneewirbel auf den Straßen veranlassten die Autofahrer zu einer hastigen Huperei. Der alte Stress war wieder da. Danes letzten dreiundzwanzig Dollar investierte er in neue Kleidung bei Urban Factory, dem billigsten Fabrikverkauf der Stadt. Restposten aus alter Zeit, das passte zu ihm. Aber nun besaß er wenigstens einen Pullover und eine dicke Jacke. Er verließ das Geschäft und sah dem Schneemobil nach, das der Reinigung der Bürgersteige kaum nachkam.
Wieder lief er ziellos umher. Sein ungepflegter Bart entstellte ihn grässlich. Das war ihm nur recht. Und wieder musste er husten. Die Hitze in ihm wurde stärker. Er rannte und rannte in der Hoffnung, Sarah irgendwo zu sehen. Doch er sah sie nicht, niemanden, den er kannte. Alle zogen eiligen Schrittes mit hochgeschlagenem Mantelkragen an ihm vorbei, und nur wenige sahen zu ihm auf.
Plötzlich stand er vor Flowers Paradise. Wie ein Magnet hatte ihn dieses Blumengeschäft angezogen. Wie oft hatte Sarah hier schon wunderschöne Blumensträuße gekauft, und er hatte nie richtig hingeschaut. Die Dekoration war überwältigend, wie jedes Jahr. Er wusste nicht, dass Sarah sie dieses Jahr gestaltet
Weitere Kostenlose Bücher