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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Wetterverhältnisse informieren wollte, hörte er im hinteren Teil des Busses ein Stöhnen, so, wie es auch all die anderen hörten und nach hinten sahen. Da stöhnte dieser komisch gekleidete Mensch und wand sich im Schweiß hin und her.
Es dauerte trotz des Schneesturms nur zehn Minuten, bis der Notarztwagen eintraf. Ein Arzt und ein Assistent bestiegen den von Atem vernebelten Bus. Immer noch debattierten die Mitreisenden lautstark miteinander und verstummten nur vereinzelt, als sich der Arzt mit seinem Assistenten den Weg durch sie hindurchbahnte.
Dane spürte, wie ihn fremde Hände berührten, und wehrte sich. Er schrie dabei seine letzten Reserven heraus, sie sollten ihn alle in Ruhe lassen. Doch das nützte ihm nicht viel, denn schneller als er folgen konnte, verpasste man ihm ein starkes Beruhigungsmittel.
Dane Gelton verließ den Bus schlafend auf einer Trage. Er hatte eine akute Lungenentzündung. Mr. McDoan gab dem Arzt die Informationen mit, die er von Dane im Gespräch in Kansas City erfahren hatte – das Wesentliche natürlich, nicht alles. Das glaubte er ihm schuldig zu sein. Der Arzt notierte sich einige Stichworte. Der Name des Patienten blieb ungeklärt.
Der Krankenwagen fuhr ohne Blaulicht davon, denn Junction City war eine kleine Stadt, in der jetzt kaum jemand auf den Straßen war. Noch kleiner war das Krankenhaus, aber die Versorgung war schnell und gut.
Eine Stunde später lag Dane auf der Intensivstation; nach fünf Stunden war sein Zustand soweitgehend stabil, dass er in ein Zimmer verlegt werden konnte. Er lag nun mit dem alten Ragee auf einem Zimmer und kam stöhnend zu sich.
    *
    Ragee war ein alter Mann von sechsundachtzig Jahren und hatte sich seinen rechten Arm bei dem Versuch, sein Haus auf einer morschen Leiter zu streichen, gebrochen. Es war erst gestern passiert. Das Haus war nicht einmal im Giebel halb fertig geworden, und keiner der Ärzte konnte sich erklären, warum dieser alte Mann sein Haus in so einem bedrohlichen Wetter streichen musste.
Niemand kannte die Einsamkeit des alten Mannes, der nach dem Tod seiner Frau vor drei Jahren kaum mehr lachen konnte. Sicher, da war noch Julie, seine Pflegetochter, doch sie lebte ihr eigenes Leben. Sie kam nicht oft, aber wenn, dann herzlich und mit viel Zeit. Wie ein Lichtblick war sie dann in dem Leben des alten Mannes.
Sein Lachen war seit dem Tod seiner Frau ein anderes geworden – künstlicher. Die Einsamkeit brachte ihn dann auf die wahnwitzigsten Ideen. Das Streichen des Hauses mitten im Winter war eine von ihnen gewesen – eine folgenreiche. Er hatte viel Glück gehabt, dass nur sein rechter Arm gebrochen war. Der Sturz hatte nach schlimmeren Verletzungen ausgesehen – überhaupt nach mehr. Fünf Tage sollte er nun mit der Schiene zur Beobachtung bleiben, da sein Kreislauf nicht so stabil war, wie es die Ärzte gerne gesehen hätten.
Er konnte den Befund nicht fassen. Sein rechter Arm war gebrochen, und er lag hier wegen seines dummen Kreislaufes. Noch weniger konnte er es fassen, dass er alleine auf dem Zimmer liegen musste – einen Tag, dann wurde Dane zu ihm ins Zimmer geschoben – direkt nach dem Frühstück. Damit begann eine große Wende in dem einsamen Leben des alten Mannes.
    *
    Der Alte sah von seinem Kaffee auf, als das große Bett durch seine Tür balanciert wurde. Der Anblick eines Zimmergenossen erfreute ihn, auch wenn der Genosse noch schlief. Das würde sich sicherlich schon bald ändern, vieles sollte sich ändern.
Mit dem Bett kam etwas Merkwürdiges in das Zimmer. Es ließ den alten Mann erst lächeln, dann wurde er ernst. Es war ein recht junger Mann, den man ihm anvertraute. Und nett sah er aus. Vielleicht ein bisschen ungepflegt – der Bart, der nicht zu ihm passte. Der Alte lächelte wieder und kletterte mit der Armschiene umständlich aus dem Bett, in dem er die Nacht über wachgelegen hatte. Er hing sich seinen alten braunen Bademantel über die Schultern und betrachtete den dunkelhaarigen Mann aus der Nähe. Er hatte weiche Gesichtszüge und dichtes Haar, gepflegt geschnitten – anders als der Bart. Sein Atem ging ruhig. Der Inhalt der Infusionsflasche tropfte beharrlich durch den Schlauch in die Vene seines rechten Armes.
Ragee setzte sich zu ihm ans Bett und betrachtete ihn weiter. Was mochte ihn hierher gebracht haben? Soweit der Alte es beurteilen konnte, lagen keinerlei Verletzungen bei seinem neuen Zimmergenossen vor – keine äußerlichen, aber das waren auch eigentlich nie die wirklich

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