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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Paaren. Sobald sie Kinder hatten, übernahmen die einzelnen Einrichtungen deren Erziehung. Mit einem halben Jahr schon kamen sie ins Kinderhaus, wo sich Kinderfrauen um sie kümmerten. Es durfte keine Bindungen zwischen den Eltern und den Kindern geben und keine engeren Beziehungen zwischen den Geschwistern, die nicht einmal wussten, dass sie Geschwister waren.
    »Kein Wunder, dass sie das noch für sich behalten«, hatte Heiner Eschen vor kurzem gesagt. »Es würde die Leute doch abschrecken, wenn sie wüssten, dass da an der heiligen Form der Familie gerüttelt wird. Erst wenn die sich über das ganze Land ausgebreitet haben, erst wenn es zu spät ist, noch etwas gegen sie zu unternehmen, dann werden sie mit der Sprache rausrücken, keinen Tag früher.«
    Marlon merkte, dass er von zwei Männern beobachtet wurde. Sie waren damit beschäftigt, einen Wagen mit Möbeln zu beladen, hatten aber damit aufgehört und starrten zu ihm herüber.
    Langsam ging er weiter. Er hatte jedes Gebäude gesehen und das Mädchen nirgends entdeckt. Die Unruhe, die er spürte, verunsicherte ihn. Warum war es ihm so wichtig zu wissen, dass das Mädchen nicht im Strafhaus war? Er hatte sich doch nie darum geschert, wer darin eingesperrt wurde.
    Er merkte, dass seine Hände zitterten.
    Zum ersten Mal gestand er sich ein, dass er verliebt war.
    In ein Mädchen, von dem er rein gar nichts wusste, außer, dass es besser für ihn wäre, sie ganz schnell zu vergessen.

Dieser Junge ging heute ganz dicht an unseren Gebäuden vorbei. Mit einer Fotokamera. Ich kenne den Hof, auf dem er wohnt. Er ist der Bruder der Zwillingsschwestern. Aber ich habe ihn noch nie von nahem gesehen.
    Ich hatte Küchendienst und schnitt gerade Gemüse für die Suppe klein. Für einen Moment sah er zu dem Fenster, hinter dem ich stand, und ich bin schnell zur Seite getreten. Wovor hatte ich diese plötzliche Angst?
    Als er weiterging, habe ich ihm nachgesehen. Er wirkte unentschlossen. Ob er sich für uns interessiert? Ob er ein Kind des Mondes werden will?
    Die Sonne fiel auf sein Haar und es glänzte, wie frische Kastanien glänzen.

6
    Sieben Tage hatte Mara nun schon im Strafhaus verbracht. Sieben lange Tage, den Tag ihrer Einlieferung mitgerechnet.
    Sieben Tage. Und sechs Nächte.
    Sie wusste nicht, was quälender war, die nicht enden wollenden Tage oder die Nächte voller erschreckender Träume.
    Mara besaß keine Uhr. Kein Kind des Mondes trug eine Uhr. Sie lasen die Zeit am Tagesverlauf ab oder an einer der großen Uhren, von denen in jedem Gebäude eine über der Eingangstür hing. Oder sie achteten auf den Glockenschlag der Kirchturmuhr, der zu jeder vollen Stunde erklang.
    Im Strafhaus gab es keine Uhr über der Tür. Vollkommene Isolation bedeutete auch Isolation von der Zeit.
    Aber Mara konnte die Glockenschläge vom Kirchturm hören. Niemals hätte sie gedacht, dass sie für eine solche Selbstverständlichkeit einmal so dankbar sein würde.
    Sie hatte versucht, die Zeit, die sie hier bereits verbracht hatte, in Stunden auszurechnen, doch sie war nicht weit damit gekommen. Es war, als wollte sie ein Stück nasse Seife festhalten, das ihr immer wieder aus den Fingern glitt.
    Karen und Elsbeth brachten ihr frische Wäsche und holten die Schmutzwäsche ab. Sie beteten morgens und abends mit ihr. Versorgten sie mit Essen und Getränken. Sie sahen sie dabei nicht an, streiften sie höchstens einmal mit einem flüchtigen Blick.
    Sie konnten nichts dafür. Es war ihnen nicht erlaubt, mit ihr zu sprechen.
    Niemand jedoch hatte Mara verboten, mit sich selbst zu sprechen. Und das tat sie oft. Flüsternd, denn sie wollte nicht, dass Elsbeth oder Karen es draußen hörten. Es tat gut, wenigstens die eigene Stimme zur Gesellschaft zu haben.
    Bis jetzt hatte sie La Lunes Bibel nicht angerührt. Obwohl sie sich nach anderen Worten sehnte als denen aus ihrem Kopf.
    La Lune war noch zweimal gekommen und hatte sich mit Mara an den Tisch mit der schönen Maserung gesetzt. Mara hatte wieder geschwiegen. Und La Lune war wieder gegangen.
    Mara lächelte beim Gedanken daran. Noch hatte sie Kraft genug. Noch war sie nicht so am Boden, dass sie ihren Stolz aufgab.
    Die Gedanken an Timon retteten sie Stunde um Stunde. Wenn sie die Augen schloss, spürte sie seine Berührungen auf der Haut. Seine Lippen, seine Hände, seine Zunge. Timon war neben Jana das Beste, was ihr je begegnet war.
    Sie dachte an die wenigen, kostbaren, gestohlenen Augenblicke mit ihm. An ihre Gespräche über

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